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Eye Filmmuseum von Delugan Meissl Associated Architects( ©Corinne de Korver

Eye Filmmuseum von Delugan Meissl Associated Architects( ©Corinne de Korver

in buch

Amsterdam am Sofa

Martina Pfeifer-SteinervonMartina Pfeifer-Steiner

Amsterdam zählt zu der Handvoll Städte, die als „Venedig des Nordens“ bezeichnet werden. Die größte Stadt der Niederlanden steht aber auch unter starkem Wachstumsdruck. Das Buch „Amsterdam – Urbane Architekur und Lebensräume“ zeigt die Transformationsprozesse der Stadt und die neuen Bauten, die sie erzeugt.

Es ist sehr inspirierend, die kleinteilige Altstadt von Amsterdam mit ihren Grachten und den Häuserzeilen, die sich darin spiegeln, zu erkunden. Amsterdam ist aber auch die bevölkerungsreichste Stadt der Niederlande und hat diese Herausforderungen in beispielhafter Weise angenommen. Transformation und Umschwung sind seit jeher ein großes Thema, gleichzeitig wurden durch gezielte Stadtentwicklung stets neue Wohnviertel erschlossen. Einen höchst spannenden und kompakten Einblick in aktuelle Entwicklungen eröffnet das Buch „Amsterdam – Urbane Architektur und Lebensräume“ von Anneke Bokern und Sandra Hofmeister.

Die zwei Herausgeberinnen nehmen Interessierte auf eine architektonische Tour zu dreißig zeitgenössischen Bauwerken mit Leuchtturmcharakter mit. Letztere sind übersichtlich auf Karten verortet und thematisch in fünf Kapitel – Wohnen, Mixed Use, Bildung und Kultur, Transformation, Öffentliche Räume – gegliedert. Die Projekte werden so bildreich und lesefreundlich mit kurzen, inhaltsschweren Texten vermittelt, dass man sich als Teilnehmerin einer Architektur-Exkursion fühlt, nur viel komfortabler. Gerade bei großen Wohnbauten ist es kaum möglich vor Ort das Gesamtkonzept und vor allem die Grundrisse zu erfassen. Diese Publikation bietet genau das: Grundrisse mit detaillierten Funktionen, Schnitte, Außenansichten im Kontext und Innenräume, die auch bei einer bestens organisierten Führung nicht betretbar sind.

3 Generationenhaus in Amsterdam vom Büro BETA © Ossip van Duivenbode

Reizvolle Überschriften machen neugierig: An ein „Haifischmaul“ erinnert der Wohnbau von Barcode Architekten und BIG auf einer der sieben künstlichen Inseln, die den Archipelstadtteil IJburg bilden. „Klar Schiff“ verweist auf das Projekt „Schoonschip“ von den Architekten Space&Matter, einer Flotte aus 46 schwimmenden Wohnhäusern am Johan-van-Hasseltkanalin Buiksloterham im Norden Amsterdams, die über Stege miteinander verbunden sind. Das bunte, am Wasser treibende Dorf hat den Anspruch, die nachhaltigste – weil klimaneutral und kreislauffähig – schwimmende Siedlung Europas zu sein.

Amsterdam, 21 August 2023, Eye Filmmuseum © Corinne de Korver
Österreichischer Architekturexport: Eye Filmmuseum von Delugan Meissl Associated Architects © Corinne de Korver

Mit „Alter Weg in neue Zeiten“ ist der Wohnungsbau Spaarndammerhart übertitelt. Die zwei üppigen backsteinernen Rundungen, die sich in den Straßenraum wölben, gehören zum Neubau eines Wohnkomplexes mit 76 Einheiten, daruner ein Drittel im sozialen Segment. Der Bau mit seinen 78 Wohnungen von korthtielens architecten und Marcel Lok_Architect ist deutlich vom Formenreichtum und den handwerklichen Qualitäten der expressionistischen Backsteinbauten der Amsterdamer Schule inspiriert, steht jedoch eindeutig als zeitgenössische Neuinterpretation da. Der „Freundliche Riese“ erzählt die spannende Geschichte des letzten Teils der gigantischen Siedlung Bijlmermeer, die um 1960 von Siegfried Nassuth geplant wurde. Sie setzte die CIAM-Prinzipien selten kompromisslos in wabenförmig angeordneten, 9- bis 15 Geschosse hohen Wohnblöcken um. Die gigantische Anlage scheiterte fulminant, einzig der 400 Meter lange Wohnblock Kleiburg blieb. Er wurde minimal saniert, die Wohnungen wurden entkernt und als flexible Einheiten auf den Markt gebracht, die die Käufer vertikal oder horizontal zusammenfügen und ausbauen konnten. Innerhalb von zwei Jahren waren alle 560 Wohnungen verkauft. Vom Problemhochaus zum erfolgreichen Gentrifizierungsprojekt – es wurde 2017 sogar mit dem Mies van der Rohe Award bedacht.

Als „Raumschiff für bewegte Bilder“ wird das Eye Filmmuseum an der Uferpromenade der Wiener Architekten Delugan Meissl bezeichnet. Auf einem brachliegenden Industrieareal ragt der markante, wie auf Abflug wartende Baukörper scheinbar aus dem Wasser Wasser. Die gefaltete, glatte weiße Fassade löst sich beim Näherkommen in differenziert-geometrischen Elementen aus Aluminiumpaneelen auf.

Eye Filmmuseum von Delugan Meissl Associated Architects © Corinne de Korver

Aus übrig gebliebenen, unter Denkmalschutz stehenden Bahnwärterhäuschen wird „Die Stadt als Hotel“. Zu einer von Hunderten von Kanälen durchzogenen Stadt gehören auch viele Brücken, und bei jeder stand früher ein Brückenwärterhäuschen, die jetzt in 28 Hotelsuiten transformiert wurden. Da die zwischen 1673 und 2009 gebauten Wärterhäuschen allesamt Unikate sind, wurde auch jedes Interieur maßgeschneidert, es entstand eine reizvolle Kollektion die unter „sweets hotel“ zu buchen sind.

Eine „Fahrradkathedrale“ ist am Amsterdamer Hauptbahnhof entstanden. Die sogenannten „Zugradler“ machen insgesamt etwa die Hälfte aller Bahnreisenden in den Niederlanden aus. Die Garage Stationsplein für 7000 Fahrräder wurde von wUrck Architekten geplant und befindet sich unter dem Hafenbecken. Geschickt wird der Niveauunterschied von neun Metern vom aus Straßenniveau überwunden, unten ist es tageslichthell und wie eine „Perle in der Auster“ erscheint die verglaste Servicestation für Ersatzteile und Reparaturarbeiten.

Eingestreut und passend zu den Kapiteln thematisieren sehr gut geschriebene Essays und Interviews neue Wohnformen und adaptive Architekturkonzepte. Kirsten Hanemana reflektiert Wiederentdeckung der ehemaligen Hafen- und Gewerbegebiete am Ufer des IJ, Herausgeberin Anneke Bokern widmet ihre Texte dem Übertourismus und feiert Amsterdam als Fahrradhaupstadt, was sich auch in den wunderbaren Fahrradgaragen an der Stationsplein vom Büro wUrck und der am IJboulevard von VenhoevenCS baulich im öffentlichen Raum manifestiert. Diese Beiträge vervollständigen das Bild einer lebhaften, in die Zukunft gerichteten Baukultur und einer jungen Architekturszene mit unkonventionellen, pragmatischen, einfallsreichen Ansätzen. Man will dieses Buch erst aus der Hand legen, wenn man überall gewesen ist … lesend, schauend, staunend. Und das nächste Mal ist man dann wirklich dort.

AMSTERDAM – URBANE ARCHITEKTUR UND LEBENSRÄUME
Verlag: DETAIL Architecture GmbH Format: 25 x 19,5 cm, Softcover, 312 Seiten
Sprache: zweisprachig deutsch/englisch

Herausgeberinnen und Autorinnen: Anneke Bokern, Sandra Hofmeister ISBN: 978-3-95553-652-7
Preis: 59,90 EUR

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Palazzo Malipiero Barnab©
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Venedigs Gärten

Eye Filmmuseum von Delugan Meissl Associated Architects( ©Corinne de Korver
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Amsterdam am Sofa

ausstellung

Die Weisheit der Erde

Marianne Strobl, Spinnerei Danubius, Pressburg 1908, im Auftrag der Firma Pittel & Brausewetter ©Photoinstitut Bonartes
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