Schuberth und Schuberth ist ein besonderes Büro. Es wird von den zwei Geschwistern Johanna und Gregor Schuberth geführt. Sie liebt Farbe und Details, er die Kunst und das Wort. Eine gute Basis für besondere Architektur. In jedem Maßstab vom Kleiderständer bis zum Stadthaus.
Das Büro von Johanna und Gregor Schuberth ist bunt. Die beiden sind nicht schwarz gewandet und auch kein Paar. Sie trägt fröhliche, mitunter gewagte Farbkombinationen, er gern unkonventionelle Muster, gemeinsam betreiben die Geschwister das Büro Schuberth und Schuberth, das Architektur und Innenarchitektur gleichberechtigt im Namen führt. Es befindet sich in einem wunderschönen Haus in der Wiener Gumpendorferstraße, das an der Schwelle von Historismus zu Jugendstil um 1900 von Architekt Carl Stephann geplant wurde.
Florales Dekor an der Tür, dahinter eine Bank in einer Nische, mit buntgestreiftem Samt überzogen. Barock geschwungene Stühle an runden Tischchen, hin und wieder ein Perserteppich auf typischem Wiener Fischgrätparkett, das Büro war einmal eine repräsentative Gründerzeitwohnung. Johanna und Gregor Schuberth haben sich deren historische Bausubstanz in entspannter Selbstverständlich angeeignet. In der straßenseitigen Flucht der einstigen Wohn- und Speisesalons befinden sich die Arbeitsplätze, eine Enfilade heller, ruhiger, weißer Räume an offenen oder geschlossenen Flügeltüren. Gleichen neben dem runden Erkerzimmer am Eck ist der Besprechungsraum. Der Erschließungsgang dahinter aber wird zu einem Kaleidoskop an Farben, Bildern, Stimmungen und Geschichten.
Objekte erzählen
Er ist eine Mischung aus begehbarer Kulisse, Wunderkammer, Galerie. Das passt zu Schuberth und Schuberth, in deren Projekten oft Erzählungen anklingen, die miteinander in Schwingung geraten. Alle Türstöcke,-nischen und Sockelleisten sind weiß, an Decken und Wänden treffen dunkelblaue, sonnengelbe, hellgraue und weiße Farbfelder aufeinander. Sie bilden eine feine, immaterielle Schicht über den Räumen. Jeder hat seine Atmosphäre und seinen Charakter. Die blaue Bilderwand mit Peter Altenberg und einem Eck der Loosbar aus Plastilin, das Regal, auf dem die Modelle stehen: alle diese Objekte sind Wegbegleiter der Geschwister, formten ihre Architektur, Geschichte und Sicht auf die Welt. Sie laden die Räume mit Bedeutung und Assoziationen auf.
„Wir sind oft umgezogen“, erinnern sich die beiden an ihre Kindheit. Sie haben noch drei weitere Geschwister, die Mutter war Kindergärtnerin, der Vater Architekt. Er liebte es, alte Gebäude zu sanieren. Viele unterschiedliche Häuser bewohnte die Familie. Villen aus der Gründerzeit und Wohnanlagen der 1970er, in Payerbach richtete der Vater einen alten Mühlhof her. Dessen Wurzeln reichten bis ins 13. Jahrhundert zurück, es gab so viele Kammern, Zimmer und lange Gänge, dass „die ganze Familie unter Tags nicht einzufangen war.“ Dafür bekam Johanna Schuberth die Hühner, die sie sich gewünscht hatte, ihre Liebe zur Architektur manifestierte sich früh. „Mir war schon immer klar, dass ich das werde, was der Papa war.“ Ihre ersten Pläne zeichnete sie als kleines Mädchen unter seinem Schreibtisch, frühmorgens fuhr das Vorschulkind in einem Matratzenlager im Kofferraum auf Baustellen mit und hörte aufmerksam bei Besprechungen zu.
Johanna Schuberth ging auf die HTL für Innenausbau in Mödling und dann nach München auf die Kunstakademie, um dort Innenarchitektur zu studieren. Vor der Aufnahmeprüfung zeichnete sie antike Bauten in Rom, vor ihrem Studienabschluss zog sie schon ihren ersten Auftrag an Land. In den frühen 2000ern plante Johanna Schuberth für den Gastronomen Josef Bitzinger eine Weinbar im Augustinerkeller, zeichnete „sehr saubere Tischlerpläne“ und begradigte dabei ganz pragmatisch gleich einiges, das der große Hans Hollein oder sein Büro nicht ausreichend an der Realität überprüft hatten. „Ich ließ mir mehrere Holzmuster zeigen, suchte eines aus und Josef Bitzinger meinte: ,Wenn du davon überzeugt bist, machen wir das so“, erinnert sich Johanna Schuberth an das Gefühl, eine Autorität zu sein. Der Bauherr respektierte ihre Entscheidung, ob sie richtig war „sagt dir erst das Resultat.“ Das sechs bis sieben Meter hohe Weinregal, dessen Entwurf einer Fassade nachempfunden war, steht heute immer noch gut da.
Berlin burning
Gregor Schuberth zog die Architektur bei seiner Berufswahl vorerst „nicht im Geringsten in Erwägung.“ Die Häuser und Räume seines bisherigen Lebens aber hatten ihn doch mehr fasziniert als angenommen. Nachdem der Traum von der Filmakademie an der dortigen Aufnahmeprüfung zerplatzt war, inksripierte er Architektur an der TU Wien. Seine Initiation als Architekt erlebte er in Berlin. Als er dort studierte, war die Mauer gerade gefallen, Berlin ein städtebauliches Versuchslabor und eine überdimensionierte Baustelle. Gregor Schuberth tauchte ein in die Schwingungen der frühen Moderne, von Mies van der Rohe, Hans Scharoun, Erich Mendelsohn. Er arbeitete bei Ortner & Ortner unter zwei charismatischen Chefs, wo man entwarf wie auf der Uni: viele Modelle, Varianten, Diskussionen. „Sie vertraten bezüglich des gründerzeitlichen Berliner Blockrands eine bewahrende Position, waren aber gleichzeitig sehr experimentierfreudig und immer zwischen Regel und Regelbruch unterwegs.“ Ersteres – die unaufgeregte, ruhige Haltung, die Architektur als Teil des Stadtkörpers begreift, wurde für Schuberth und Schuberth zur Messlatte.
Völlig überraschend werden die beiden in einer Arbeitsgemeinschaft mit Stadler Prenn und Ostertag 2013 den internationalen, anonymen Wettbewerb zum Neubau eines Bürobaus am prominenten Wiener Kreuzungspunkt von Rathaus- und Josefstädterstraße gewinnen. Das siegreiche Projekt beruhte auf einer gewissenhaften Analyse urbaner gründerzeitlicher Strukturen. Der zurückhaltende, dezente Bürobau mit dem raffinierten Knick im Dach und der innovativen Weiterführung des gründerzeitlichen Kastenfensters in der Fassade fügt sich mit dezentem Selbstbewusstsein in das Gewebe der Stadt. Wie es den Geschwistern glückte, den Rewe-Konzern dazu zu bewegen, das Billa-Logo in den Arkaden am Eck von schreiendem Gelb-Rot in zurückhaltendes Schwarz zu färben, gibt der gesamten Wiener Architektenschaft Rätsel auf.
Drogen, Loos und Plastilin
Als Johanna Schuberth mit dem Studium fertig und Gregor nach zehn Jahren Berlin wieder in Wien war, wagten sie die Selbstständigkeit. Die Geschichte ihres Büros begann 2005 in einem kleinen Erdgeschosslokal im Hinterhof eines Hauses in der Wiener Schönbrunnerstraße. Ihr Büroschild war aus Plastilin. Einer ihrer ersten gemeinsamen Aufträge war die Innengestaltung von „Check it!“, dem Kompetenzzentrum für Designerdrogen. Dort können Jugendliche sehr niederschwellig und anonym ihre Partydrogen testen lassen. Das Budget war minimal, Schuberth und Schuberth setzten auf Farbe, raumgrafische Elemente und Tafellack, den die Jugendlichen mit Kreide beschriften konnten. „Es musste einfach cool sein.“ Eigenhändig bezogen sie im Hof billige Sessel neu und den gewitzten Kleiderständern aus gebogenem Metall, die Johanna Schuberth gemeinsam mit Michael Bacherl auf der Akademie entworfen hatte, zum ersten öffentlichen Auftritt. In frechem Zitronengelb kamen sie im „Check it!“ erstmals zum Einsatz, siebzehn Jahre später legten sie die Kleinserie in vier neuen Farben wieder auf.
Schuberth und Schuberth sind Meister der kleinen Form. Auf den Würstelstand bei der Albertina folgten einer im Prater, einer in der Spiegelgasse, derzeit ist ein weiterer am Burgring in Planung. Wieder spielt die städtebauliche Komponente eine wesentliche Rolle. urwienerische Bauaufgaben finden sich in ihrem Repertoire: Ein Stelzenhaus im ikonischen Strandbad Kritzendorf, ein kleines Haus aus schwarz verkohltem Holz am Rand des Wienerwaldes, ein Sommerhaus im Pötzleinsdorfer Kleingartenverein, das dem Loosschen Raumplan und einem Farbkonzept von Johanna Schuberth folgt. Außerdem bauten sie in gründerzeitlichen Häusern einige Dachböden aus und kleinere Wohnungen ein und um.
Meister der kleinen Form
Das Weinregal im Augustinerkeller hatte Folgen: Josef Bitzinger beauftragte sie mit der Planung des neuen Würstelstands vor der Albertina. „Wir verstanden ihn als Bestandteil der Stadt.“ Sie wandten sich ihm mit aufmerksamer Ernsthaftigkeit zu und erfanden damit die Gattung ein Stück neu. Dieser Würstelstand ist raffiniert bis in die letzte Ritze. Was wie ein Rechteck wirkt, ist ein Trapez, um der städtebaulichen Komplexität des Ortes ihren Tribut zu zollen. Schuberth und Schuberth befreiten den Bautyp von der üblichen Angestopftheit, räumten den Grundriss ordentlich auf, verdichteten eine voll ausgestattete Gastroküche auf das kompakte Volumen von 4,90 mal 3,90 mal 3,30 Meter und rückten die Grillplatte ins Scheinwerferlicht. An der skulpturalen Gestalt des Würstelstandes tüftelten sie lang. „Man geht mit einem Gebäude nicht oft auf Tuchfühlung, bei einem Würstelstand berührt man die Fassade tatsächlich“, sagt Johanna Schuberth. Und das von allen vier Seiten, in der Jeans ebenso wie in der Ballrobe. Die Fassade dieses Würstelstandes ist aus mustergewalzten Edelstahlblechen, die das Licht sehr schön reflektieren. Das Vordach beschirmt bei Sonne und Regen, auch Mick Jagger verzehrte darunter schon seine Frankfurter.
Gregor Schuberth betrachtet die Architektur als eine Art gehobenes Handwerk, das bestimmte Fertigkeiten einfordert: Das gründliche Durchdenken der Bauaufgabe, die Art der Plandarstellung, das Durchlaufen bestimmter Projektphasen in der richtigen Reihenfolge, die professionelle Umsetzung unter Einhaltung aller Zeit- und Kostenrahmen. „Ich bin der, der alle Fäden zusammenhält“, sagt er. „Wir haben eine gewisse Art und Weise zu entwerfen. Wir gehen spielerisch an ein Projekt heran und arbeiten in möglichst vielen Medien – Modellen, Zeichnungen, Grafiken.“ Dann kommt eine konzentrierte Phase, bei der es auch wichtig ist, abzuschließen. „Man muss eine Struktur vorgeben, es braucht unbedingt auch Erdung“, so Gregor Schuberth. Dazu zählt die Umsetzung freifinanzierter Wohnanlagen. Johanna Schuberth beschäftigt sich derzeit stark mit visueller Kommunikation, entwickelt Leitsysteme und Raumgrafiken. Momentan entwerfen Schuberth und Schuberth das künstlerische Erscheinungsbild die Tiefgarage in der Freyung neu.
Kunst beim Portier
Als weiterer wesentlicher Schwerpunkt bildet sich die Gestaltung von Ausstellungen heraus. Das entspricht ihrer Lust am Erzählen und ihrem Interesse für Kulturgeschichte. „Ausstellungen sind ein sehr spannendes Thema. Da kann man über die Objekte und verschiedene Medien in fremde Welten gehen. Wir haben auch viele Mitarbeitende, die das gut können“, sagt Gregor Schuberth. „Ausstellungen sind ein ideales Labor, um etwas zu entwickeln.“ Eine Art Ausstellung der eigenen Arbeit und Medium der Reflexion sind die Bürohefte zu sehen, die Schuberth und Schuberth in einer erlesenen, kleinen Auflage über Projekte produzieren, die ihnen besonders am Herzen liegen. Das jüngste widmet sich der leeren Portierswohnung im Erdgeschoss ihres Bürohauses, die sie gerade als kleine, feine Galerie eröffnet haben. Die erste Ausstellung setzte Sprichworte visuell um. Man konnte dort mit der Tür ins Haus fallen und im Hof den Teufel an die Wand malen. Es scheint, als ob Schuberth und Schuberth angekommen wären.
Schuberth und Schuberth Architekten
Backstage Recherche: Jahrelange Kenntnis der Büros und seiner Arbeiten, Vor-Ort Begehungen der Kleigartenhäuser in Kritzendorf und Pötzleinsdorf, der drei Würstelstände, der BUWOG Zentrale, Artikel über alle diese Projekte, Besuch des Dachbodenausbaus, der Austellungen im jüdischen Museum, im Theatermuseum, im Naturhistorischen Museum, ohne darüber zu schreiben, Gast bei mehreren Vernissagen und Veranstaltungen im Atelier. Ein dreistündiges Interview, etwa acht Stunden Schreibarbeit, Faktencheck und Freigabe der Zitate durch die Architekten, drei Stunden Fotoauswahl und Einrichten des Beitrags.
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