Die Frage polarisiert. Einerseits ist gute Architektur einfach gute Architektur. Egal, ob von Männern oder Frauen geschaffen. Architektur kennt kein Geschlecht. Andererseits sind Frauen anders sozialisiert und strukturell benachteiligt. Ein Text von Elsa Prochazka, die am Pilotprojekt „Frauen-Werk-Stadt“ mitplante und als eine der ersten Frauen in Wien ein Architekturbüro führte.
Gesellschaftliche Widersprüche lassen sich nicht über Architektur, auch nicht über Architektur durch Architektinnen auflösen. Generell wird bei der Berufsausbildung ja nicht differenziert – sie ist je nach Lehrpraxis für alle ident, jedoch sind Frauen – allgemein – und im Bauwesen im Besonderen – anders sozialisiert und werden anders wahrgenommen.
Während in den 70er Jahren Frauen im einstelligen Prozentbereich Architektur studierten, sind es in Europa derzeit jeweils mehr als 50% – Tendenz steigend. Interpretiert wird das mit der Tatsache, dass sich das Interesse männlicher Studierender in Richtung Bauingenieurwesen verlagert, da damit verbundene Berufe besser dotiert und in der Baupraxis breiter eingesetzt werden können.
Deutlich zeigt sich diese Entwicklung auch in den berufsspezifischen Zahlen – die Statistiken der Kammermitgliedschaften von ArchitektInnen lassen sich da wie eine soziologische Studie lesen. Gleichzeitig verliert das Berufsfeld Architektur insgesamt zunehmend an Handlungsspielräumen und somit auch an Bedeutung – man darf das nun also zunehmend den Frauen überlassen ?
Pilotprojekt „Frauen-Werk-Stadt“
Verstärkt ausgelöst wurde diese Diskussion in Wien durch das Wohnbauvorhaben „Frauen-Werk-Stadt“ im Jahr 1993. Dieses Projekt ist heute noch international viel diskutiert und besichtigt. Die Anlage hat etwa 360 Wohneinheiten, in dieser Größenordnung wurde in Europa davor und danach nie mit diesem Themenansatz geplant.
Das Projekt entstand in Zeiten reger stadtpolitischer Diskussion, wie im Wohnbau neue Qualitäten definiert und erreicht werden könnten. Neu war in Wien das Instrument der Bauträgerwettbewerbe. Es wurde eingeführt, um in einer frühen Phase der Projektentwicklung eine verbindliche Zusage zu Qualität und Kosten zu erhalten. Damals lobte man einige sogenannte „Themenwettbewerbe“ aus. Darunter einen Wettbewerb unter dem Aspekt „Alltags- und frauengerechtes Planen“. Die gewonnenen Erkenntnisse und Kriterien flossen später auch bei der Beurteilung von gefördertem Wiener Wohnbau durch den Grundstücksbeirat ein. Von den Konsequenzen profitiert man immer noch.
Projekte wie die „Frauen-Werk-Stadt“ und das „Alltags-und frauengerechte Planen“ führten zu einer Bewusstseinsänderung. In der Umsetzung von Wohnbauten wurden in Folge Anliegen berücksichtig und realisiert, die heute vielleicht banal und selbstverständlich wirken, aber genau diesen Projekten zu verdanken sind: Gleichwertige, nutzungsneutrale Räume, die sich der jeweiligen Lebenssituation anpassen, querdurchlüftete Wohnungen, die in ihrer Größe variabel sind, weil sich Erker zuschalten lassen. Fahrrad-und Kinderwagenräume, die direkt beim Hauseingang liegen, natürlich belichtete Tiefgaragen und Stiegenhäuser, die keine Angsträume entstehen lassen, Gemeinschaftswaschküchen und Hobbyräume mit anschließenden Terrassen auf den Dächern.
Identifikation und Wohnzufriedenheit sind hier nachweislich besonders ausgeprägt – und zwar gleichermassen bei allen Bewohnerinnen und Bewohnern.
Im Wohnbauprojekt St.Marx wird das Konzept weiterentwickelt – hier sind die zum Freiraum zugänglichen Erdgeschosszonen verschiedensten gemeinschaftlichen Nutzungen zugeordnet. Sie verwischen auch dezidiert geschlechtsspezifische Zuschreibungen. Die Diskussion über den Anteil der Frauen am Baugeschehen, sei es als Planerinnen, sei es durch ihre Beiträge bei Mitbestimmungsprozessen oder einfach in der spezifischen Aneignung von Gebäuden, öffentlichen Bereichen und Freiflächen in der Stadt, hat sich seither stark verdichtet – auch dank dieses Perspektivwechsels.
Vieles an Defiziten in der gebauten Umwelt ist dadurch deutlicher artikuliert und bewusst geworden – der Anteil an Planerinnen und ihre Anerkennung hat sich jedoch kaum vergrössert. Auch in diesem Berufsfeld spielt der gender pay gap eine Rolle, auch in diesem Berufsfeld – oder vielleicht besonders in diesem – sind Leitungs- und Entscheidungsfunktionen keineswegs ausgewogen verteilt.
Bauen Frauen anders?
Ich denke, dass Frauen die immer noch stärker differenzierten Tagesabläufe und Lebensbereiche des Alltags besser analysieren und in die Planung einfliessen lassen – die Ergebnisse, die sich daraus ergeben, sind jedoch immer noch marginalisiert. Die Aneignung von Architektur ist ein vitaler Vorgang, der die verschiedensten Ausgangslagen über historische Zeitdimensionen hinweg umdeuten und umfunktionieren kann. Die Ausgangsfrage, ob von einer Frau konzipiert und umgesetzt, wirkt nur unterschwellig, bildet aber jedenfalls einen Gegenwartsdiskurs ab, der sich natürlich auch ändert und weiterentwickelt.
Was bedeutet es beispielsweise, wenn 2024 in Wien 45,4 Prozent der Haushalte Einpersonenhaushalte sind? Werden sich dadurch die Strukturen des privaten und öffentlichen Raumangebots nicht noch viel mehr verändern und adaptieren müssen ? Gewinnt der gemeinschaftlich genutzte Raum – ob semiprivater, öffentlicher Innenraum und der allgemeine Freiraum in den Städten – zunehmend an Bedeutung? Wer hat die Planungshoheit, wer die Nutzungshoheit? Sollte es da nicht eine ausgewogene Teilhabe aller Betroffenen geben und eben auch Ausgewogenheit unter Planenden?
genau! dankt
Sne Veselinović für ihren Beitrag zu
unseren Inhalten. Sie thematisiert, ob
Frauen anders bauen und finanzierte
diesen Text.