Das „Alpencamping Nenzing“ in Vorarlberg ist ein Campingplatz, der sich seit fast 50 Jahren kontinuierlich updatet und erneuert. Parkplätze für Wohnwägen, Spa, Wellness und gehobene Kulinarik führen hier eine friedliche Coexistenz. Architekt Reinhold Hammerer bereicherte ihn um 10 spektakuläre, höchst fotogene Chalets. Die Holzröhren am Hang bieten superbe Ausblicke und liegen voll im Trend: „Glamping“, einer Verbindung aus Glamour und Camping.
Seit über 45 Jahren betreibt die Familie Morik ihr „Alpencamping Nenzing“. Ständig auf der Suche nach neuen Angeboten für ihre Gästeschaft, beweist sie Mut zu touristischen Innovation. Mit Erfolg. „Ferienwohnungen waren gestern, Glamping ist die Zukunft“, steht selbstbewußt auf der Website. Restaurant, Hallen-, Freibad, Sauna und Spa sind längst da. Architekt Reinhold Hammerer erweiterte die Camping-Möglichkeiten nun mühelos um eine luxuriöse Variante. Zehn vorgefertigte, voll möblierte Chalets mit parabelförmigem Querschnitt bieten totalen Komfort und ungestörten Panoramablick am Hang. Das Projekt polarisiert und ist in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Was bleibt: Hier hat ein familiär geführter Tourismusbetrieb einen unkonventionellen Schritt gewagt, viel investiert – und gewonnen. Die Chalets haben stolze Preise, erfreuen sich großer Beliebtheit und ihre Architektur ging um die Welt.
Terrakotta-Armee am Badeteich
Zwei Kilometer vom Ort entfernt, liegt das Alpencamping Nenzing leicht erhöht auf einer Lichtung im Wald. Früher stand an diesem Kraftplatz inmitten eines 360 ° Bergpanoramas ein abgelegener Bauernhof. Vor über 45 Jahren begann Familie Morik, hier ihren Campingplatz zu errichten. Das Streben nach gastgeberischer Meisterschaft war groß, Experimentier- und Innovationsfreude detto, das Alpencamping mauserte sich zum einzigen “Leading Campingplatz” Vorarlbergs. Seine soziale Drehscheibe ist das Restaurant “Garfrenga” mit Rezeption gleich bei der Zufahrt. Dessen riesige Terrasse geht direkt in das Sonnenliegenterritorium rund um Schwimmbecken, Sauna, Spa und den Badeteich mit dem türkisen Wasser über. Einige Soldaten der Terrakotta-Armee des Kaisers von China bewachen seine Terrasse. Sie hatten als Blickfänger der “Turandot” bei den Bregenzer Festspielen 2016 ausgedient und hier ihre neue Bestimmung gefunden.
Restaurant und Wellness schmiegen sich an einen kegelförmigen Hügel, der etwa 22 Meter über dem Badeteich hoch ragt. Zu seinen Füßen gruppieren sich auf leicht ansteigenden, terrassierten Plateaus 160 Stellplätze für Wohnwägen und Zelte unterschiedlicher Kategorie um die sozialen Epizentren des Campinglebens: Restaurant, Hallen- und Freibad, Saunawelt, Wellness und Badehaus. Alle sind mit Strom-, Gas-, Wasseranschluss und WLAN ausgestattet. Sie erinnern an eine Wagenburg aus dem Wilden Westen, deren Siedler und Siedlerinnen das Pferd gegen den Motor, das Lagerfeuer gegen das Internet und das am Sattel weich gerittene Steak gegen das bodenständige Restaurant ,Garfrenga’ oder das exklusivere, neu eröffnete Fisch- und Steakrestaurant ,Himmelwärts’ ausgetauscht haben. Die touristische Bandbreite ist groß: Vom klassischen Campen mit gut gepflegter Sanitärinfrastruktur über die Möglichkeit, ein Privatbad dazu zu mieten bis zum Fünf Sterne-Komfort können Josef, Gertie und Tochter Michelle Morik ihren Gästen so gut wie jeden Campingwunsch erfüllen.
Camping mit Glamour
Auf der Suche nach Entwicklungsmöglichkeiten für ihr “Alpencamping” dachte Bauherrin Gertie Morik qualitativ an eine Verbindung von Glamour und Camping, kurz “Glamping”. Dieses Angebot richtet sich an alle, die ohne Wohnwagen, dafür mit umso mehr Komfort campen wollen. Territorial schien ihr der Hang hinter dem Wellnessbereich geeignet. Architekt Reinhold Hammerer kennt sie schon rund 25 Jahre. “Es war die Idee der Bauherrin, den Hügel mit Einzelobjekten zu bebauen”, erinnert er sich. Der steile, kegelförmige Hügel als absolut gewagter Bauplatz inspirierte ihn sofort. Er dachte an einen Bienenstock oder die Dörfer an der Steilküste von Amalfi. Stimmige Bilder für die beiden Pole aus abgesicherter Abenteuerlust mit offenem Feuer vor dem Zelt und glamouröser Exklusivität, die diesen Campingplatz ausmachen. Hammerer durchforstete das Internet nach Mini-Appartements. Keines war hügeltauglich und campingplatzkompatibel.
Dieser besondere, auf seine Art durchaus extreme Ort erforderte eine maßgeschneiderte Lösung. Zuerst wurde mit den Raumplanungsstellen abgeklärt, ob eine Bebauung in der einzigartigen Berglandschaft überhaupt möglich war. Weil der Campingplatz in einer Mulde liegt, die von unten nicht einsehbar ist, wurde 2017 die Baugenehmigung erteilt. “Es durfte keine kantige Kiste werden und auch kein Haus mit Satteldach. Ich musste etwas anderes machen. Etwas Authentisches, das die Leute emotional berührt,” so der Architekt. So authentisch wie es dieses touristische Setting einfordert, ohne allzu große Scheu vor dem Plakativen und dem Anspruch auf Einmaligkeit. Dann kam Hammerer das Bild der Röhre, die frei schwebend in die Landschaft ragt und so ein an jedem spezifischen Ort ein ganz eigenes Panorama bietet. “Meine Vision war ein Holztunnel in Parabelform mit einer homogenen Hülle, der vorne komplett verglast einen freien Blick in die Berge ermöglicht.” Und auf den Campingplatz und das türkisblaue Wasser im Pool.
Optimaler Querschnitt
Der Querschnitt der Parabel war optimal: Ihr sacht gerundeter Bogen harmoniert mit dem menschlichen Körper ebenso wie mit der Landschaft und weist dank seiner Verjüngung nach oben hin ein relativ geringes Volumen auf. Trotzdem bietet er genug Höhe für eine Schlafebene, ist statisch höchst stabil und erzeugt im Inneren ein Gefühl der Geborgenheit. Besonders Kinder lieben ihr Hochbett unter dem hölzernen Gewölbe. Außerdem hatte die Parabel am Campingplatz ein Alleinstellungsmerkmal. Blieb “nur” noch die Frage der Umsetzung. “Ich wollte eine Behausung finden, die man vorfertigen kann”, so Hammerer. “Trotzdem sollte sie das Gefühl von Luxus erzeugen.” Der parabelförmige Röhrenquerschnitt war als Holzleichtbau komplett in der Halle vorzufertigen, seine Bauweise entspricht der eines umgekehrten Bootsrumpfes, als Dach genügt schwarzer Naturkautschuk, von dem Wasser und Schnee dank der runden Form automatisch abrinnen.
Auch die maßgeschneidert raumeffiziente Möblierung ist in vollendeter Perfektion von örtlichen Handwerkern gefertigt. Hinter dem kompakten, stylisch schwarzen Bad beim Eingang liegt das Doppelbett für die Eltern, eine steile Treppe neben der Kochnische führt auf die 1,40 Meter hohe Schlafgalerie für Kinder, der Essplatz hat Blick durchs Panoramafenster. Steht man auf dem Balkon davor, machen sich Fluggefühle breit. Es gibt die Chalets in der 10 Meter langen Premium-Variante und 14 Meter langen Luxusversion. Erstere bietet Platz für zwei bis vier Personen, inklusive Balkon. Man schläft wie im Liegewagen in zwei übereinanderliegenden Schlafnischen oder auf der Galerie mit Liegefläche und Fernseher. Die große Wohnküche mit Sitzplatz und Bank orientiert sich zu Sonne und Alpenblick, die Luusvariante hat ein eigenes, großes Schlafzimmer, eine größeres Galerie, ein größeres Bad, auch eine Wohnküche mit Balkon, außerdem aber noch eine Terrasse und ein exklusives Whirlpool. Beide verbinden höchsten Komfort mit Abenteuer-Feeling, wer wer will, kann sich einen Frühstückskorb vor die Chalettür bringen lassen. Im Einklang mit den Höhenschichtlinien sind sie so in den Hang gebettet, dass jedes einen ungestörten Blick ins Bergpanorama hat. Ihre Tragkonstruktion mit Punktfundament und Stahlstütze ist von der Lawinenschutzverbauung inspiriert. Die Chalets kamen so gut an, dass inzwischen auch schon Ferienwohnungen gebaut wurden. Ganz klassisch, mit Satteldach.
Dieser Text ist in leicht veränderter Form in der Wochenendbeilage „Leben & Wohnen“ der Vorarlberger Nachrichten erschienen.