Nachruf auf Dr. Klaus‑Jürgen Bauer (1963 – 28. Juni 2025)
Geboren 1963 in Wien, hat Klaus Jürgen Bauer sein Leben in die Welt der Architektur eingebracht – mit jener Leidenschaft, die einen großen Geist kennzeichnet. Er studierte an der Wiener Angewandten in Wilhelm Holzbauer Meisterklasse und setzte seine akademische Reise an der Bauhaus‑Universität Weimar fort, wo er 1997 mit der Dissertation „Minima Aesthetica: Banalität in der Architektur als strategische Subversion“ promovierte1 Schon damals ließ sich sein feines Gespür ablesen – für das scheinbar Banale, aus dem er stets Neues zu formen wusste.
Nach Stationen als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Weimar und später als Hochschullehrer an der TU Wien, NDU St. Pölten und der FH Campus Wien gründete er 1997 in Eisenstadt sein eigenes Büro für Architektur und Denkmalpflege. Von da an prägte er mit unermüdlichem Engagement das Burgenland – nicht nur in konkreten Bauprojekten, sondern als treibender Ideengeber und kulturpolitischer Motor.
Klaus Jürgen scheute nicht davor zurück, sich für die kleinen und großen Dinge zu engagieren: Er baute Streckhöfe um, war Kurator und Vorsitzender beim Verein Architektur Raum Burgenland, betreute die Architekturgalerie “contemporary” und sorgte für Ausstellungen wie im Liszt‑Jahr 2011. Er gehörte Fachgremien auf Landes‑ und Bundesebene an, war Juror, Bausachverständiger, und vernetzte sich in PEN, ICOMOS, dem Streckhofinstitut. Immer galt sein Kerninteresse dem Bewahren und Neuinterpretieren – aber nie aus nostalgischer Verklärung, sondern als lebendiger Dialog mit dem Hier und Jetzt.
Ein Herzstück seines Wirkens war der burgenländische Streckhof – jene langgestreckten, schmalen Bauernhäuser, deren Ästhetik und Identität er als „Imageträger des Burgenlands“ beschrieb.
Er propagierte deren Sanierung mit Fachwissen und Liebe, hielt Workshops, schrieb ein Kinderbuch („Streckhöfe mit Gisa, der Architekturgans“) und ermöglichte damit Generationen eine neue, emotionale Nähe zu dieser Bauform. Dass Streckhöfe heute mehr als einfach nur Bauten sind, sondern Ausdruck kultureller Heimat, ist zu einem großen Teil sein Verdienst.
Als Architekt wirkte er in mehreren bemerkenswerten Bauprojekten mit: die Umgestaltung zur Genussakademie in Donnerskirchen, der Umbau des ehemaligen Bürgerspitals in Rust, schließlich die sensible Planung der Stadtvilla Eisenstadt – sie wurde zum modernen Stadtmuseum, das Geschichte zeigt und doch zeitgenössisch vermittelt. Er half auch beim Haus Dellacher – dem Projekt historischer Moderne in Oberwart, über dessen Erhalt er schrieb und referierte.
Seine schriftstellerische Seite zeigte sich in zahlreichen Büchern und Essays: „Pannonien.Archipel. Theorie der Provinz“, „Entdämmt Euch! Eine Streitschrift“, „Lob des Bauens“ (eine Sammlung von Texten zu zeitgenössischer Architektur im Burgenland), erzählende Texte, Gedichte, Ausstellungen – und schließlich unter dem Pseudonym „Der Fassadenleser“, unter anderem im FALTER und auf Social Media, die Miniaturen, die in der Haltung eines Spaziergängers das große Erzählen eröffneten. Sein Blick öffnete Räume, zeigte Subtilität, verlieh dem Alltäglichen ein poetisches Gewicht.
Seine Person war dabei stets ansteckend: Er sprach, lehrte, argumentierte, debattierte. Er organisierte Foren zu Baukultur in Parlament und Landschaftsräumen, engagierte sich in Fachbeiräten – allein das Burgenland, so Doskozil, verliere „Spuren, die noch lange an ihn erinnern werden“. Bürgermeister und Kulturreferenten würdigen ihn als „leidenschaftlichen Denkmalschützer“, „versierten Architekten“, „Vermittler unserer Stadtgeschichte“.
Für mich war Klaus Jürgen mehr als ein Kollege: Er war ein Seelenverwandter im Streben nach Sinn, Haltung und Kultur. Unsere Gespräche – ob über alte Streckhöfe, verborgene Fassadenerzählungen oder eine neue Ausstellungsinszenierung – führten oft in unerwartete Welten. Es war nicht nur seine fachliche Klugheit, sondern seine Wärme, seine Neugier, seine Fähigkeit, Ideen in lebendige Erzählungen zu verwandeln, die mich faszinierte. Und immer dieses untrügliche Gefühl: Architektur ist nicht nur Raum, sondern Ausdruck menschlicher Existenz.
Manchmal saßen wir abends auf der Terrasse, tranken ein Glas vom heimischen Blaufränkisch und diskutierten energisch über nachhaltiges Bauen, Korrespondierenden von Material, Handwerk und Gemeinsinn. Er war überzeugt: ein alter Streckhof, richtig saniert, ist nachhaltiger als ein billiger Neubau – genau darum kämpfte er, schrieb er, lehrte er – mit rationalen Argumenten und vollem Herzen. Und wer ihn dabei erlebte, spürte, dass Architektur nichts Abstraktes ist – sondern Lebensraum, in dem Identität und Zukunft zusammenfinden.
Seine Diagnose war dabei nie theoretisch – sie war persönlich, konkret, vor Ort: Im Haus, in der Erde, in Gesprächen mit Gemeindebürgern oder Handwerkern. Dass er seine Bürotür in Eisenstadt weit öffnen konnte, war sein bewusster Stil. Dort kamen Studierende, Kollegen, Menschen aus dem Dorf – und erhielten nicht nur Architekturberatung, sondern Zuspruch, Ermutigung und ein tiefes Verständnis für ihr Lebensumfeld.
Am 28. Juni 2025, nach einer schweren Krankheit, ist Klaus Jürgen von uns gegangen – 62 Jahre alt, doch seine Wirkung bleibt bestehen. In seinen Projekten, Büchern, Kolumnen, Ausstellungen – und in den Herzen derer, die er bewegt hat. In der architektonischen Landschaft des Burgenlands, die er mitgestaltet hat, und in der Denkweise, die er geprägt hat. Er wollte nicht berühmt sein. Er wollte gut bauen, gut leben, und dass Menschen sich zuhause fühlen – in ihrem Land, in ihrer Geschichte, in ihren Häusern.
Lieber Klaus Jürgen, du bist nicht mehr da, aber dein Geist lebt. In jedem sanierten Streckhof, den du angestoßen hast. In jeder Fassade, die du zum Sprechen gebracht hast. In jedem Kind, das durch dein Buch Architektur entdeckt. Deine Arbeiten sind sichtbare Spuren; deine Haltung tief in uns verankert. Wir verlieren einen großen Architekten, einen weisen Kollegen, einen aufrichtigen Freund.
Wir weinen. Wir danken. Wir tragen weiter, was du begonnen hast. Ruhe in Frieden.