Räume sind Architektur, aber Architektur allein ist nicht alles. Architektur ist Hintergrund, wie Hermann Czech lapidar feststellt. Ein Raum wird erst ganz, wenn er belebt und gebraucht ist. Das kleine Badezimmer der Fotografin Petra Rainer hat Platz für die ganze Welt.
Es ist ganz klein. Eine Badewanne teilt sich die Länge des Raumes mit der Waschmaschine, auf der die Welt steht. Ein Globus mit Licht, die Weltmeere nicht blau, sondern in der Farbe einer alten, ausgebleichten Landkarte. Ocker oder erdfarben. Die Routen der alten Seefahrer sind eingezeichnet. Die Magellanstraße. Staub fällt vom Globus, als ich ihn drehe, um zu sehen, wo Ferdinand losgesegelt ist. Sanluvar de Barrameda in Andalusien. Die ocker leuchtende Erdkugelt wirkt wie ausgestrocknet. Made in Italy steht drauf. Warum sind die Meere nicht blau. Wenn ich bade und den Globus einschalte, spiegelt sich die ganze Welt im Wasser in meiem Bauch. Das Gefühl der trockenen Erde bleibt, denn die Farbe ist stärker. Nur, wenn ich die Augen schließe und meine Füße bewege, höre ich das Wasser und stelle mir die Meere blau vor. Ozeanblau.

Über der Waschmaschine und der Erde hängt das Bild eines kleinen Ortes, der am Meer liegt. Türkises verblichenes Wasser, Nadelbäume ragen über die Häuschen mit hohen Schornsteinen hinaus. Aus einem Fenster schaut mich ein Mensch an. Ich stelle mir den Maler Henry Gasser vor, der aus seinem Bild herausblickt.
Auf der linken Seite meines Badezimmers steht ein runder Wäschekorb mit Deckel aus Südspanien. Meine Eltern haben ihn vor 50 Jahren von ihrer Hochzeitsreise im Mai mitgebracht. Auch einen Stubenwagen, in dem ich und später meine vier Geschwister die ersten Lebensmonate schliefen, brachte die Reise. Wie hatte das alles in dem blauen BMW Jahrgang 1971 aus Bremen Platz? Ein kleines Waschbecken und Badezimmerkästchen schließen die linke Flanke des Zimmers ab. Das Bad ist fast komplett. Der Boden fehlt noch. Schwarze, weiße und graue Fließen. Ich frage meinen Sohn ob er sie für mich zählen könnte. Er will nicht. Ich stehe von meinem grünen Sofa auf und gehe langsam mit den blauen Krücken ins Bad. Setze mich auf den Badewannenrand und zähle. Es sind tausende. Das klingt viel für mein kleines Bad. Ich putze mir die Zähne.

Mit dem schwarz weiß Foto der baltischen See bin ich wieder am Meer angelangt. Es hängt über dem Badezimmerkästchen. Holzstümpfe ragen aus dem Sand und dem Meerwasser. Das Holz ist alt und nass. Ich trinke aus meinem Zahnputzbecher und freue mich.