Abwesendes hinterlässt Spuren im Raum. Die Gestaltung des Wiener Freud Museums in der Berggasse 19 durch die Architekten Hermann Czech, ARTEC und Walter Angonese bezieht sich darauf.
Als Ikone der Popkultur ist Freud omnipräsent. Kaum etwas könnte seine Abwesenheit bemerkbarer machen. Im Jahr 1891 zog der Begründer der Psychoanalyse mit seiner Familie in die Berggasse 19, er wohnte auf Türnummer 5 und ordinierte ab 1908 gleich gegenüber auf Türnummer 6. Die gemieteten Räume im Mezzanin der Berggasse 19 waren Arbeitsplatz und Wohnort, geprägt vom Alltag der Familie, von seinen Besucher:innen und Patient:innen.
Viele Vergangenheiten
Das Haus im Renaissancestil (Architekt Hermann Stierlin, 1889) entwickelte sich um 1900 zu einem Zentrum der Psychoanalyse. Hier ordinierte Sigmund Freud, tagte die „Psychologische Mittwochsgesellschaft“ und war die Wiener Psychoanalytische Vereinigung angesiedelt. Von 1939 – 1942 diente es den Nationalsozialisten als Sammelunterkunft für Juden und Jüdinnen vor ihrer Deportation. Sigmund Freud emigrierte im Juni 1938, seine einstige Wohnung und Praxis mussten sich 31 Menschen teilen. Seit 1971 ist dort das Freud Museum angesiedelt.



Im Jahr 2020 gestalteten die Architekt:innen Hermann Czech, ARTEC und Walter Angonese das Museum neu. Hermann Czech führte dabei Raum und Abwesenheit bewusst zusammen. Der Akt der inneren Selbstverortung, der die Grundlage der psychoanalytischen Arbeit bildet, findet so eine Entsprechung. Czech betrachtete das Haus gleichermaßen als Gedächtnis. Der ursprüngliche Raumeindruck blieb gewahrt und macht durch das Freilegen unterschiedlicher Vergangenheiten Ehemaliges wieder wahrnehmbar. Verortung ist das unmittelbarste Werkzeug der Architektur.
Betritt man das Mietshaus der Wiener Berggasse, blickt man auf den hellen Innenhof und steigt dann rechts das historische Treppenhaus hinauf. Wie früher Freud. Die einstigen Wegeführungen in die Ordination und die Wohnung Freuds wurden beibehalten. Freigelegte Mauerschichten und markierte Leerstellen machen deren ursprüngliche Nutzung nachvollziehbar. Die Architektur wird zur Mediatorin zwischen dem Ort und seiner Wahrnehmung, in ihr treffen An- und Abwesendes aufeinander. „Ersinnen, um zu sehen“ beschreibt diesen Prozess sehr treffend.
