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Locke am Haupt

Patricia GrzonkavonPatricia Grzonka

Über viele Jahre hinweg verwandelte sich die magische Landschaft um den Römersteinbruch St. Margarethen im Burgenland in ein gigantisches Freiluftatelier. Jeden Sommer arbeiteten hier über hundert Künstler, aber auch rund ein Dutzend Künstlerinnen bei den sogenannten „Bildhauersymposien“. Die Rolle, die sie dabei spielten, ist kaum bekannt. 

Opernfans wissen, dass sich in dem alten Steinbruch von St. Margarethen im Burgenland eine überaus pittoreske Freilichtbühne befindet. Dass hinter dem ehemaligen Römersteinbruch ein Landschaftspark mit rund fünfzig massiven Steinskulpturen liegt, ist für manche kunstaffine Menschen vielleicht auch nicht neu. Nur die wenigsten dürften jedoch die Namen der beteiligten Bildhauer – und noch weniger die der Bildhauerinnen kennen, deren Werke Teil dieses einzigartigen Landschaftsbildes sind.

Kogelberg © Patricia Gronzka
Kogelberg © Patricia Grzonka

Von 1959, als der burgenländische Künstler Karl Prantl mit anderen zusammen das erste „Symposion Europäischer Bildhauer“ veranstaltete, bis Anfang der 1980er-Jahre, als die österreichische Bildhauerin Maria Biljan-Bilger die letzten, hauptsächlich der Keramik gewidmeten organisierte, beteiligten sich insgesamt über hundert Künstler und gut ein Dutzend Künstlerinnen aus verschiedenen Ländern an den Symposien. Sie hinterließen damit ebenso beeindruckende Skulpturen wie ihre männlichen Kollegen, standen medial jedoch kaum im Mittelpunkt. Dabei war auch die heute international wohl renommierteste aller teilnehmenden Künstler:innen vertreten: die polnische Bildhauerin Alina Szapocznikow (1926-1973) schuf hier 1961 die Großplastik (Miąższ – Fleisch), die heute noch mit den anderen verbliebenen Werken bei einem Spaziergang besichtigt werden kann.

Skulptur von Pat Diska, 1966 © Gronzka
Skulptur von Pat Diska, 1966 © Grzonka

Dieser Text rückt vor allem die weibliche Geschichte des Symposions St. Margarethen in den Fokus und möchte daran erinnern, dass nicht hinter jeder tonnenschweren Skulptur ein starker Mann, sondern oft auch eine starke Frau vermutet werden sollte. Dass unsere öffentlichen Plätze und Denkmalgestaltungen fast zu hundert Prozent von männlichen Künstlern dominiert werden, verdankt sich der jahrzehntelang geübten Ungleichheit zwischen männlicher und weiblicher Sichtbarkeit. Gerade das Beispiel St. Margarethen zeigt, dass künstlerisches Selbstbewusstsein nicht an ein Medium gebunden ist, sondern allein von den Chancen und Möglichkeiten der sozialen Umgebung abhängt. Der orange-gelbliche Kalksandstein des geschichtsträchtigen Steinbruchs – seine Verwendung reicht von vielen historischen Bauwerken bis hin zum Stephansdom – ließ sich von einem Künstler oder einer Künstlerin gleichermaßen schwer bearbeiten.

Im Jahr 1961 fand das Bildhauer:innensymposion zum dritten Mal statt. Dem Ursprungsgedanken von Karl Prantl (1923-2010) folgend, wurden die Blöcke direkt im Steinbruch gebrochen und dort von den Künstler:innen mit einfachen Werkzeugen wie Hammer und Meissel zu Skulpturen geformt. In St. Margarethen standen den Teilnehmer:innen auch lokale Arbeitskräfte zur Seite, ohne deren Hilfe Bearbeitung, Transport oder Verlegung nicht möglich gewesen wären.

Magdalena Więcek, 1963 © Gronza
Skulptur von Maria Biljan Bilger © Gronzka
Skulptur von Magdalena Więcek, 1963 (links), Maria Biljan-Bilger (rechts) © Grzonka

Erstmals beteiligten sich 1961 auch drei Künstlerinnen am Symposion: Alina Szapocznikow (1926-1973), Maria Biljan-Bilger (1912-1997) und die deutsche Bildhauerin Ursula Sax (geboren 1935). Sax hatte Bildhauerei an der Akademie für Bildende Künste Stuttgart studiert und war in den 1990er-Jahren Professorin in Braunschweig und Dresden. Sie arbeitete nach ihrer Ausbildung zunächst in Stein. Die Skulptur Sonnenrad, die in St. Margarethen entstand, wurde ein Jahr nach der Fertigstellung vor einer Grundschule in Kempten (Allgäu) platziert, wo sie bis heute steht: Ein längsoval-gezackter Stein, symbolisch den Sonnenball andeutend. Das Oszillieren zwischen Abstraktion und Figuration (wie hier durch den Titel suggeriert) war ein Hauptthema der Nachkriegsmoderne. Nach der Erfahrung der ikonoklastischen Avantgarde wurde in den 1950er-Jahren eine Rückkehr zur Figuration zwar als ein Sakrileg empfunden, gleichzeitig aber auch als eine Notwendigkeit gesehen, um eine künstlerische Neuausrichtung voran zu treiben. Nirgends besser, als in den Werken der Bildhauer und Bildhauerinnen in St. Margarethen ist dieses „Ringen“ um das Neue spürbar. Die Arbeit von Maria Biljan-Bilger hat Karl Prantl in den frühen 2000er-Jahren zusammen mit einigen anderen Skulpturen aus St. Margarethen abtransportiert und zwischen Äckern und Feldern rund um die Gemeinde Pöttsching, ebenfalls Burgenland, neu aufgestellt. Der quaderförmige Kubus mit einer reliefierten, ornamental-verspielten Oberfläche ist eines der wenigen eher abstrakten Werke der Bildhauerin. 

„Fleisch“ von Alina Szapocznikow © Grzonka


Alina Szapocznikow war mit Biljan-Bilger und Sax die dritte Künstlerin, die am Symposium 1961 beteiligt war, – neben sechs männlichen Kollegen aus Indien, Kuba, Deutschland, Österreich, Japan und Italien1. Die Holocaust-Überlebende, die sich in ihrem späteren Werk experimentell bis surreal mit Körperformen und -sprachen auseinandersetzte, war gerade dabei, sich von ihrem figurativen, sozialistisch-realistischen Frühwerk wegzubewegen. Der Umschwung kam mit der doppeldeutigen Skulptur Miąższ in St. Margarethen. Miąższ bedeutet auf polnisch „Fleisch“, hat aber auch die Konnotation „Fruchtfleisch“: Ein fast zwei Meter hoher Stein, grob behauen in zwei aufklaffenden wulstigen Lappen. Bald nach dem Burgenlandaufenthalt übersiedelte Szapocznikow 1963 nach Paris. Im Besitz des Museum of Modern Art in Warschau befindet sich auch ein Foto, das die Künstlerin mit Hammer und Meissel auf dem Stein arbeitend zeigt. Ein ähnliches Dokumentationsfoto existiert auch von Ursula Sax – aber dies sind rare Dokumente über die Künstlerinnen.

"Fleisch" von Alina Szapocznikow © Gronzka
„Fleisch“ von Alina Szapocznikow © Grzonka

Zunächst blieben die Steine nach Fertigstellung am Produktionsort, wo sie eine Art Freilichtausstellung bildeten, aus Mangel an Platz und dem Wunsch nach Veränderung wich man ab 1963 auf den angrenzenden Kogelberg aus. In diesem Jahr war mit Magdalena Więcek (1924-2008) eine weitere Bildhauerin aus Polen eingeladen. Auch sie wendete sich vom dominierenden Sozialistischen Realismus ab und experimentierte mit organischen Formen, die an deformierte Körperteile erinnern. Ihre Skulptur Der Stein evoziert die ursprüngliche Kraft des Steins, indem sie einer länglichen Stele eine Art Hut quer aufsetzt. Assoziationen an einen Pilz oder an prähistorische Obelisken werden wach. Auch die US-Amerikanerin Pat Diska (1924-2003), Teilnehmerin von 1966, entwarf eine archaisch anmutende Steinformation aus zwei prekär übereinander gelagerten Blöcken, die sie in unterschiedlichen Volumina miteinander kombinierte. Es sind diese primären Materialqualitäten, mit denen Körperlichkeit, Schwerkraft, Balance oder die Beschaffenheit des Steins betont werden, welche die Künstlerinnen hier interessierten.

Doppelskulptur von Milena Lah, 1971 ©Grzonka

An derselben Flanke des Kogelbergs befindet sich auch das Figurenpaar der Slowenin Milena Lah (1920-2003) von 1971. Lah war fasziniert vom prähistorischen kulturellen Erbe und entwarf zwei rustikale, anthropomorphe Steinstatuen mit wulstigen Ausbuchtungen, die einander ergänzen. Das Arbeiten in der ursprünglichen Landschaft war für viele Künstler:innen inspirierend; es beförderte neue inhaltliche Ausrichtungen und erlaubte, andere Arbeitsweisen zu testen. 1971 nahm auch die Schweizerin Anna Maria Kupper am Symposium teil, die mit 24 Jahren eine der jüngsten war. Sie realisierte eine dreiteilige Bogenskulptur aus aneinander- und zusammengefügten Halbkreisen, die sich zu bewegen scheinen – wie eine Locke am Haupt des Berges. Es ist eine der fröhlichsten Skulpturen der ganzen Gruppe, gefertigt mit der vollen Unbeschwertheit einer jungen Künstlerin. Für die in Luzern lebende Kupper war die Möglichkeit, mit großen Formen und dem ungewohnten Material Stein zu experimentieren, eine prägende Erfahrung.

Bildhauerhaus von Georg Gsteu ©Isabella Marboe
Bildhauerhaus von Johann Georg Gsteu © Marboe

Die Geschichte der Protagonistinnen des St. Margarethener Symposiums ist hier nicht zu Ende. 1979, 1980 und 1981 initiierte Maria Biljan-Bilger, die damals Leiterin der Meisterschule Keramik an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien war, sogenannte Keramiksymposien mit etwa zwanzig Studierenden. Im gemeinsam gebauten Brennofen wurden an diesen Symposien auch weitere Werke von Künstlerinnen gebrannt. Deren Namen sind zwar bekannt, der Verbleib der Werke allerdings nicht. Der Keramikbrennofen, der damals gemeinsam dem Vorarlberger Lehmbaupionier und Architekten Martin Rauch entworfen und errichtet worden war, ist heute nicht mehr verwendbar. Er befindet sich direkt neben dem Atelierhaus, das ab 1967 als Unterkunft für die Symposiumsteilnehmenden diente und bis heute benutzt werden kann. Ein archaisch anmutendes Gebäude mit Flachdach, das sich perfekt in die Landschaft einfügt und historische und moderne Elemente in einer Art postmoderner Materialsynthese vereint: In den Mauern wurde der lokale Stein verwendet, fürs Dach industrielle Betonfertigelemente, die stahlblauen Metallrahmen von Türen und Fenstern setzen dazu starke Farbakzente.

Bildhauerhaus von Johann Georg Gsteu, neue Möbel von Martin Feiersinger ©Marboe, Grzonka

Der Architekt Johann Georg Gsteu (1927-2013) entwarf das Bildhauerhaus nach einer gemeinsamen Planung mit Karl Prantl und den Bildhauern Barna von Sartory (1927-2000) und Jacques Moeschal (1914-2004) im Sinne jener spartanischen Ausrichtung, die das gesamte Symposium prägte. Acht kleine Schlafzellen wurden mit großzügigen Gemeinschaftsräumen kombiniert: Das Bildhauerhaus sollte Schutz vor den Elementen bieten, hier bedeutet das in erster Linie Schutz vor der Sonne, denn im Steinbruch liegen die Temperaturen oft bei 40 Grad Celsius. Sozialer Austausch statt medialer Ablenkung war die Devise und damit ging es auch um eine asketische Grundhaltung, die nicht nur künstlerischer Stil, sondern vor allem auch Programm war. Vor einigen Jahren wurde die Einrichtung durch neues Mobiliar ergänzt: Tische und ein Geländer zum Untergeschoß vom Bildhauer Werner Feiersinger, dazu leuchtende, rote Sessel, die dieser gemeinsam mit seinem Bruder, dem Architekten Martin Feiersinger entworfen hat. Sie korrespondieren mit der originalen Ausstattung, die mit starkem Blau die naturbelassenen Materialien kontrastierte.

Diese Haltung, die aus der Nähe zur Natur, der Reduktion auf das Notwendige, Selbstreflexion und körperlicher Kraftanstrengung schöpft, scheint konträr zu allen heutigen Trends der Überkuratierung und Freizeitanimation. Aktuell versucht die Esterházy Foundation, die die Verwaltung innehat, mit einer sensiblen Balance die verschiedenen Anforderungen an einen zeitgemäßen Besucherbetrieb zu erfüllen: die wilde Schönheit der Gegend als Landschaftspark zu erhalten und dabei gleichzeitig das Gelände als Kunst- und Architekturort zugänglich zu machen. Und damit auch das Wissen über die Künstlerinnen, die an dem Gesellschaftsprojekt beteiligt waren, zu verbreiten.

1 Ajit Chakravarti, Auguste Cardenas, Günther Roth, Rudolf Kedl, Yoshikuni Iida, Giorgio Zennaro

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