Kapital hilft, entscheidend ist die Begeisterung: Als Bauherr Martin Lutz die miteinader verwachsenen Häuser mit ihren meterdicken Mauern, vielerlei Gewölbeformen, Durchgängen, Treppen, dem Innenhof und Stallungen mitten in Traismauer endeckte, war es um ihn geschehen. Die Architekten Gerd Schlögl und Bernhard Sommer sanierten das Ensemble behutsam, der Bauherr betreibt dort eine Galerie und vermietet es weiterhin.
Die Suche nach einem Fotostudio führte den Bauherrn zu einem denkmalgeschützten Ensemble im Zentrum von Traismauer. Er beauftragte die Architekten Gerd Schlögl und Bernhard Sommer mit Umbau und Sanierung. Fast dreizehn Jahre dauerte es, bis alles fertig war. Heute ist das achtsam renovierte Haus ein pulsierender Ort: elf Mietwohnungen, Friseur, Trafik, Bäckerei und die Fineartgalerie mit ihrem feinen Programm beleben und bereichern Traismauer um einen kulturellen Treffpunkt. Ein Fotostudio gibt es auch.

Bauherr Martin Lutz ist leidenschaftlicher Fotograf, er brauchte ein Studio. Irgendwann im Jahr 2008 stieß er auf ehemalige Stallungen in einem verwilderten Garten: etwa 5 Meter breit, fast 30 Meter Lang, tonnenüberwölbt, wenige Fenster. „Diese Räume wären für ein Fotostudio mit Dunkelkammer und einer kleinen Bühne ideal gewesen“, erinnert sich Lutz. Die Stallungen waren im späten 17. Jahrhundert gebaut worden und gehörten zu einem denkmalgeschützten Ensemble im Zentrum von Traismauer. Sie bildeten gleichermaßen das relativ jüngste Anhängsel eines historischen Gebäudekonglomerats, das seit dem Mittelalter über die Jahrhunderte zu einem mehrflügeligen Stadthaus mit einem gepflasterten Innenhof zusammengewachsen war.
Der weitläufige Bestand in Ortsmitte zählt zu den ältesten Gebäuden in Traismauer, er steht unter Denkmalschutz. Das Haus war in Wohnungen unterteilt und vermietet, sein Zustand nicht der beste, eine Sanierung dringend angeraten. Dafür war der gesamte Komplex relativ günstig zu haben. Klassische Investoren würden davon sofort die Finger lassen, Markus Lutz war hingerissen. Das dicke Gemäuer, die faszinierende Vielfalt unterschiedlicher Gewölbeformen, die alten Dippelbaumdecken, abgetretenen Holzböden, der burgartige Charakter des Innenhofs: Die Patina der Jahrhunderte war deutlich spürbar – nachträglich angebrachte Verkleidungen, Weichfaserplatten, Umbauten, Verschleiß- und Abnutzungserscheinungen aber hatten dem Bestand zugesetzt.

Lutz kaufte das geschichtsträchtige Ensemble und beauftragte Gerd Schlögl, den Architekt seines Vertrauens, mit Sanierung und Ausbau, die örtliche Bauaufsicht übernahm Architekt Bernhard Sommer. Als “rechte Hand für alles“ charakterisiert Schlögl seine Rolle. Im Juni 2009 befundeten die Denkmalforscher Günther Buchinger, Doris Schön und Helga Schönfellner-Lechner den ehemaligen Gasthof „Zum Schwarzen Adler“. Die im Norden an der Wiener Straße gelegenen Bauteile sind die ältesten. Sie stammen aus dem 15. Jahrhundert, 1522 bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert wurde im Osten an einem kleinen Nebengässchen noch ein Bauteil angebaut, etwa zeitgleich dürfte der Westflügel am Kirchenplatz entstanden sein. Um 1610 kam im Süden ein weiterer Trakt dazu, der dazwischenliegenden Freiraum zum geschlossenen, geschützten Innenhof adelte. Dahinter waren im späten 17. Jahrhundert die Stallungen gebaut worden, die es dem Bauherrn so angetan hatten. “Wir haben ganz gezielt begonnen, den Bestand stückweise herzurichten. Ursprünglich wollten wir auch die Stallungen erhalten, doch deren Bausubstanz war zu schlecht. Die Ziegel der Außenwand hatten keine Verbindung mehr“, so Schlögl. Das Haus war statisch, bauphysikalisch und haustechnisch zukunftstauglich aufzurüsten, sollte dabei aber möglichst originalgetreu erhalten oder wieder hergestellt werden. Essentiell für seine unterschiedlichen Nutzungen war auch, die innere Organisation des gewachsenen Bestands zu verbessern und bereinigen. Wohnungen wurden zusammengelegt, Eingänge versetzt, Stiegenläufe verändert. „Die größte Herausforderung war in meinen Augen die Sanierung der Substanz mit vernünftigen Grundrissen“, so Schlögl. „Es gab viele Treppen im Gebäude, aber keine Verbindung zwischen Erd- und Obergeschoss.“

Im Oktober 2010 begannen die Bauarbeiten, bis 2013 wurden leerstehende Wohnungen und der Veranstaltungstrakt saniert, dann das Friseurgeschäft, zuletzt die Dachstühle. Im Westtrakt musste man ihn mit einem Betonkranz unterfangen und dann neu aufgesetzen, um das Gewölbe zu retten. Rund elf Jahre dauerte die Sanierung insgesamt. Kein Mieter musste währenddessen seine Wohnung räumen. „Unser Ziel war, möglichst viel im alten Zustand wieder herzustellen“, erklärt Schlögl. So entschied man sich bewusst gegen Vollwärmeschutz und Innendämmung, dafür wurden die dicken, alten Wände mit naturweißem Putz verputzt. Einige Plastikfenster ersetzte man durch eigens nachgebaute Holzkastenfenster – außen und innen mit Einscheibenverglasung. „Die Fenster waren für den Charakter des Hauses sehr wesentlich. Die Pläne dafür ich sogar selbst nach den Vorbildern alter, klassischer Holzkastenfenster gezeichnet. Es gibt auch einige Tischler, die sich darauf spezialisiert haben.“ Auch ohne Stallungen ist der Garten sehr beliebt. Er liegt auf der Sonnenseite. „Wir haben viele Veranstaltungen im Freien. Es gibt Trauungen, die Köplerinnen haben hier ihren Kongress ausgerichtet und ihre Arbeiten ausgestellt“, erzählt der Bauherr. Auch die Galerie im ersten Stock wurde um einen großen Balkon erweitert, von dem eine Wendeltreppe in den Garten führt. „Wir wollten das Haus nach Süden aufmachen“, erläutert der Architekt. Das Bundesdenkmalamt war mit der Lösung sehr zufrieden. Treppe und Balkon sind aus verzinktem Stahl. Das ermöglicht sehr schlanke Querschnitte, ist zeitlos und biedert sich nicht an.

Vom Durchgang auf der Wiener Straße gelangt man direkt in den Innenhof: ein stiller, ruhiger Freiraum, von starken, weiß gekalkten Mauern mit mächtigen Pfeilern und unebenen Oberflächen. Zwei dieser Pfeiler sind übrigens neu: sie waren statisch notwendig, integrieren sich aber wunderbar in den mittelalterlichen Bestand. „Der Hof war früher asphaltiert“, erzählt der Bauherr. Heute ist er gepflastert, gibt es Bänke und Pflanztröge mit Bäumen, Garten und Hof stehen den Mieter*innen zur Verfügung, eine schmale Treppeführt in die Galerie fineartein im ersten Stock. Längst ist sie ein kultureller Fixpunkt in Traismauer. Wo sich früher ein Abstellraum war, gibt es nun eine kompakte, schwarze Veranstaltungsküche mit Bar. Über den Tresen überspannt ein wurmstichiger, höchst widerständiger Tram die Kämpferlinie des Gewölbebogens. Die Räume haben schöne Proportionen, alte Schiffböden und Dippelbaumdecken. Schaut man genau hin, erkennt man, dass einige Holzträme bemalt sind. „Sie sind sicher bei Neumond geschlägert worden“, vermutet Bernhard Schneider. Viele hochkarätige Ausstellungen und Veranstaltungen haben hier schon stattgefunden, bei Bedarf ließe sich die Galerie auch in zwei Wohnungen unterteilen. Im Erdgeschoss hat das Fotostudio des Bauherrn nun seine Heimat gefunden, auch hier gibt es oft Ausstellungen. Friseur, Trafik und der Bäcker am Kirchenplatz sind auch noch da. Der Bauherr: „Ich habe die Leute in Traismauer glücklich gemacht, am meisten aber mich“
Dieser Text ist in gekürzter Form im Magazin 09/21 Niederösterreich gestalten erschienen.