Die Ausstellung von Musiker und Klangkünstler Tarek Atoui versetzt das Kunsthaus Bregenz von Peter Zumthor in Schwingung.
Klang umgibt uns ständig, alles klingt. Schritte, Stimmen, Wellen, Wind, Maschinen. Selbst Materie erzeugt Klang. Dem Künstler, Musiker und Komponisten Tarek Atoui gelingt es mit einem komplexen Gefüge aus experimentellen Instrumenten, elektroakustischen Quellen, Synthesizern und eigens entwickelten Apparaturen, ihre Geräusche erlebbar zu machen. Temperaturschwankungen und Spannungen bringen auch schwere I-Träger aus Schwarzstahl und riesige Marmorbrocken zum Tönen.
Im Kunsthaus Bregenz ist gerade eine Ausstellung von Tarek Atoui zu erleben, deren Installationen er eigens für die dortigen Räume entwickelt hat. Für alle, die dafür empfänglich sind, machen sie das Kunsthaus zu einem Forschungsfeld einer Art dreidimensionalen Hörens und der akustischen Wahrnehmung im Raum.
Hören und spüren, nicht lesen
In der Ausstellung gibt es keine Beschriftungen. „Das ist eine ganz bewusste Entscheidung“, sagt Tarek Atoui.
Trommeln aus unterschiedlichsten außergewöhnlichen Materialien, spezielle Maschinen, Wassertropfen aus Kanülen, Klangschalen, umgebauten Orgelpfeifen, Luftrohren und Kompressoren bilden Orchester, die Atoui in jeder Ausstellungsebene anders instrumentalisiert. Die verschiedenen Instrumente sind als Klangquellen in den großen, hohen Räumen verteilt, bestechen aber auch als künstlerische Objekte von hoher handwerklicher und ästhetischer Qualität. Sie kommunizieren miteinander, produzieren ineinandergreifende Klänge und Geräusche.
Das Kunsthaus ist der perfekte Ort für diese Ausstellung, denn Klang spielt für Peter Zumthor eine zentrale Rolle, der große Architekt liebt die Musik, spielte Contrabass und machte Hausmusik. „Wenn etwas gut klingen soll, braucht es einen Raum. Klang ist wesentlich,“ sagt der Pritzker-Preisträger. „Ich versuche mir das beim Entwerfen immer vorzustellen und es gelingt mir schon ganz gut.“ Sein Kunsthaus in Bregenz (KUB) ist ein guter Ressonanzkörper, der harte, spiegelglatte Sichtbeton reflektiert den Schall sehr stark. Leicht entsteht hier ein Echo, Musik und Klang sind von Anfang an fixe Konstanten im Programm des KUB. Die Gespräche mit deren Komponisten und Komponistinnen erschlossen ihm das Universum der zeitgenössischen klassischen Musik auf einer ganz neuen Ebene.
Orgeln, Körper und Wind
Die Arbeit, die Atoui am wichtigsten ist, füllt den ersten Stock. „wind instruments“ beruht auf der imaginierten Klangwahrnehmung von Gehörlosen. „Ich versuchte, Töne und Geräusche aus ihrem Empfinden heraus zu verstehen und Instrumente zu bauen, die mit Fingern und Körpern spürbar sind“, sagt Atoui. Ihr Klang wird durch Vibration, Bewegung und Schwingung erzeugt. Er ist dadurch auch stark über die taktile Berührung wahrnehmbar. Das „Wind house II“ ist ein begehbares Instrument, das eigens für das KUBE gemacht ist. Man betritt es ohne Schuhe wie einen heiligen Raum und erfährt einen Ton, der vom Luftzug erzeugt wird. Es lässt sich natürlich auch als Skulptur deuten. „Es ist auch ein akustisches Experiment und eine Hommage an Johannes Goetzes Arbeiten aus den 1980ern“, sagt Atoui.
Seine hybride Installation „Organ within“ verbindet die forschende Auseinandersetzung mit historischen Kirchenorgeln und die Klangwahrnehmung Gehörloser mit einer zeitgenössischen Transformation verschiedener Orgelmodule durch computergesteuerte Ventilatoren an unterschiedlichen Schläuchen. Durch deren Vibrationen, taktilen und haptischen Formen werden sie auch für Gehörlose wahrnehmbar. Die „Reedboxes“ sind leichte, transportable Instrumente, die melodische Klänge erzeugen, aber auch auf mehreren Ebenen wahrnehmbar sind. Gemeinsam schaffen all diese Instrumente einen gestimmten und doch vielstimmiges akustisches Universum hat. Jede Ebene dieser Ausstellung klingt an
Wasser, Trommeln und Regen
Im zweiten Stock wird der Klang vom Wasser getragen. „Water’s Witness ist ein fortlaufendes Projekt, das auf Field Recordings beruht, die Atoui und Eric La Casa seit 2015 gemeinsam gemacht haben. Sie nahmen Geräusche in den Hafenstädten Athen, Singapur, Porto, Beirut, Istanbul und Sydney auf. „Häfen sind immer mehr zu Hochsicherheitszonen geworden“, sagt Atoui. „Sie sind für die Bürger und Bürgerinnen einer Stadt nicht mehr zugänglich. Ich wollte die Häfen den Leuten wieder zurück geben.“
Atoui sammelte Gegenstände und begann auch, den Klang aufzunehmen, den er in den Materialien fand. Sogar der Marmor des Demetertempels in Athen und ein Stahlträger aus Abu Dhabi hinterließen hier eine Klangspur. Die Installation Water’s Witness im zweiten Stock lässt die Geräusche dieser Hafenstädte aufeinandertreffen.
Auf der dritten Ebene klingt diese Ausstellung sehr leicht und hell aus. „The Rain“ bezieht seine Faszination aus der poetischem, leisen, vielstimmigen Klanglandschaft koreanischer Trommeln. Als Forschungsreisender durch Südkorea begegnete Atoui vielen lokalen Kunsthandwerkern, die noch traditionelle Trommeln bauen können. Meister Son wird namentlich erwähnt. Das Wasser, das auf die hauchdünnen Häute aus koreanischem Papier tropft, die um unterschiedliche Resonanzkörper aus Holz, Keramik und Porzellan gespannt sind, lässt vielerlei Regen akustisch auf- und ineinander fließen. Egal, ob in der Empfingswelt von Gehörlosen, einigen Hafenstädten oder mitten im Regen: viele Welten haben derzeit im Kunsthaus Bregenz ihre Zelte aufgeschlagen.