Sechzehn Jahre dauerte es von der Idee bis zur Eröffnung des VinziDorf Wien, seine Entstehungsgeschichte stellt unserer Gesellschaft kein gutes Zeugnis aus und ist doch ein Wunder. Denn das VinziDorf mobilisierte mindestens ebenso viel Einsatzbereitschaft begeisterter Ehrenamtlicher, wie es vorher auf Widerstand gestoßen war.
Begonnen hatte alles mit einem Vortrag von Pfarrer Wolfgang Pucher in der Pfarre St. Stephan im Jahr 2002. Er stellte sein VinziDorf in Graz vor, wo Bedürftige bedingungslos Aufnahme finden. Mit oder ohne Alkohol. Pucher wollte auch in Wien ein VinziDorf errichten, er suchte Mitstreiter_innen. Es war kurz vor Weihnachten, bitter kalt, Cecily Corti und Alexander Hagner, der mit Ulrike Schartner das Architekturbüro **gaupenraub+/-** betreibt, hörten zu. Kurz darauf gründeten Pucher und Corti die Vinzenzgemeinschaft St. Stephan. Bald fand sich ein Grundstück in der Pfarre Aspern. **gaupenraub+/-** machten einen Entwurf, doch in knapp zwei Wochen waren über 1.500 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt. «Der Pfarrer war sehr engagiert, aber die Gemeinde sagte: ‹Wenn da ein Dorf für Obdachlose hinkommt, treten wir aus der Kirche aus.› So katholisch ist Österreich», bemerkt Ulrike Schartner trocken.
Endstation Hetzendorf
Auf der Suche nach einem Bauplatz wanderte dieses Projekt fast ebenso lang durch die Stadt, wie einige seiner heutigen Bewohner auf der Straße hausten. An sechs Standorten versuchte es Fuß zu fassen, bis im Jahr 2007 die Lazaristenpfarre in Hetzendorf das Grundstück neben der Kirche des Marianneums zur Verfügung stellte. Es ist etwa 3.500 m² groß und hatte eine gültige Bauwidmung. Im Nordwesten an der Straße stand ein stark abgewohnter Bestand. Ein eingeschossiger Wirtschaftstrakt, an den ein ebenso langes Haus angebaut worden war. Früher diente es als Gästehaus, später wurde es Notquartier. Davor breitet sich im Südosten ein wunderschöner Garten aus.

Das Architekturbüro **gaupenraub+/-** bewahrt immer so viel Bestand wie möglich und legt die Schönheit frei, die ihm innewohnt. Kein Baum fiel, die alten Häuser hatten Charakter und Patina, was zur künftigen Bewohnerschaft passte. Neben Büro und Verwaltung für die Sozialarbeit dient das Erdgeschoss vor allem der Gemeinschaft. Es beherbergt Gastraum, Küche, Waschraum. Wie lose hingewürfelt setzten die Architekt_innen 16 kleine, pavillonartige Häuschen zwischen die alten Baumkronen am südlichen Grundstücksrand. Im Dachgeschoss des Gästehauses gibt es acht weitere Wohnungen. Sie sind etwas größer und haben ihre eigenen Badezimmer mit Dusche.
Otto G. wohnt im Dachausbau. Die Gruft hat ihn vermittelt. «A Dorf in Meidling?» Dann sah er es selbst. «Die Optik der Bungalows ist schön, aber da krieg ich Platzangst.» Doch die Wohnung war für ihn perfekt, jetzt lebt er schon drei Jahre «da im Lockdown». Er meint damit seine Einsiedlerexistenz. Otto ist am liebsten allein, er hat alles, was er braucht. Fernseher, Matratze, Mikrowelle. Gemeinsam essen ist nicht seins. Die Mutter war nervenkrank, der Vater am Steinhof, die Karriere als Heimkind begann mit vier Jahren und umfasste viele Stationen. Otto lernte Schmied, seine erste Frau traf er beim Rock ’n’ Roll im Brigittenauer Plankenwirt. «Wo ich getanzt hab, war ich der Erlesene.» Auf die Scheidung folgte die zweite Ehe, mit der nächsten Frau verlor er seine Hausmeisterwohnung. Die Reise durch diverse Männerheime begann – Meldemannstraße, Siemensstraße, Gänsbachergasse. Er hat immer gearbeitet. Als Blumenverkäufer, Würstelstandler, Maler und Anstreicher, bei einer Hausreinigung, 16 Jahre als **Augustin…