Im Garten des Landesklinikum Hollabrunn ist eine Werkbundsiedlung en miniature zu entdecken: Die Künstlerin Claudia Märzendorfer forderte 40 befreundete KollegInnen aller Sparten auf, für diesen Ort Vogelhäuschen zu entwerfen.
Die Beziehung zwischen Kunst und Psychiatrie ist eng und hat eine lange Tradition. Zeichnungen, Bilder und Lyrik einiger PatientInnen sind von großer künstlerischer Eigenständigkeit und emotionaler Kraft. Ursprünglich erhofften sich Psychiater davon Aufschlüsse zum inneren Erleben ihrer PatientInnen. 1919 begann der promovierte Kunsthistoriker und Arzt Hans Prinzhorn (1887 – 1933) die „Lehrsammlung“ der Klinik in Heidelberg auszubauen. Er bat Direktoren anderer Anstalten im deutschsprachigen Raum um Werke für den Aufbau eines Museums psychopathologischer Kunst. Die Sammlung wuchs auf über 4.500 Arbeiten von etwa 450 PatientInnen an, 1922 erschien Prinzhorns Buch „Bildnerei der Geisteskranken“. Es wurde zur „Bibel“ der Surrealisten, mehrfach wieder aufgelegt und übersetzt. Heute umfasst das Sammlung Prinzhorn Museum rund 20.000 Werke.
Pionier der Psychiatriereform in Niederösterreich
Hierzulande bestärkte der Psychiater Leo Navratil seine PatientInnen in der niederösterreischichen Heil-und Pflegeanstalt Gugging darin, künstlerisch tätig zu sein. 1970 stellte die Galerie nächst St. Stephan erstmals ihre Arbeiten aus, internationale Ausstellungen folgten, die „Gugginger Künstler“ waren eine Erfolgsgeschichte. 1981 wurde einigen von ihnen das „Haus der Künstler“ eingerichtet, 2006 das museum gugging eröffnet, 2007 die NÖ Landesnervenklinik Ost – Klosterneuburg-Gugging aufgelöst. „Maria Gugging war die erste Klinik, die in ein Krankenhaus ausgegliedert wurde“, so Grill. Dr. Wolfgang Grill. Selbst in der Gugginger Anstalt sozialisiert, leitet er heute die Sozialpsychiatrische Abteilung am Landesklinikum Hollabrunn. Sie wurde 1998 als erste ihrer Art an einem öffentlichen Krankenhaus in Niederösterreich eröffnet. Die dortige Akut-Psychiatrie in hat keine geschlossene Abteilung. „In der Fachwelt führte das zu vielen Diskussionen“, so Grill. „Hier kann jeder gehen, wir verhandeln das mit den Betroffenen aus. Dazu braucht man natürlich mehr Personal, das im Umgang mit Krisensituationen geschult sein muss.“ 2005 wurde in Hollabrunn die Sozialpsychiatrische Tagesklinik eröffnet, wo psychisch Kranke acht Stunden verbringen, die durch Therapien, Mahlzeiten und Entspannungsphasen klar strukturiert sind. Abends kehren sie nach Hause zurück. Der Heilungserfolg entspricht einer stationären Behandlung.
Im Freien vor der Terrasse hängen kleine Vogelhäuschen aus Holz mit Sattel- oder Flachdach, kirschrot, gelb und weiß gestrichen, an den Bäumen. Die PatientInnen der Tagesklinik hatten sie gefertigt. Diese Miniaturarchitekturen entgingen auch der Künstlerin Claudia Märzendorfer nicht. Sie gewann den Kunstwettbewerb, der zur Feier des zwanzigjährigen Jubiläums der Klinik im Rahmen der „Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich“ ausgeschrieben wurde. „Mir war es wichtig, nicht etwas hin zu stellen, das dann großartig eröffnet wird, sondern etwas, das auch Verständnis erzeugt.“ Märzendorfer lud 40 befreundete internationale KünstlerInnen, ArchitektInnen, AutorInnen und MusikerInnen, die Freude daran hatten, einen kleinen Beitrag zu leisten, für das Gelände mit den vielen Bäumen rund um die Klinik Vogelhäuschen zu gestalten.
Für die Seele
„In der Natur zu sein und Tiere zu beobachten, ist ein guter Impuls für die seelische Gesundheit“, sagt Märzendorfer. Sie drehte damit auch die Beziehung von Kunst und Psychiatrie um: Es sind nicht die PatientInnen, deren „exotische“ Arbeiten als Art-Brut bestaunt werden, es sind Kunstschaffende unterschiedlicher Sparten, die das Thema der Vogelhäuschen von den PatientInnen übernehmen, weiterspinnen und das Gelände mit ihren Arbeiten zu einem Skulpturengarten für PatientInnen und BesucherInnen machen.