Die Neuapostolische Kirche in Wien Penzing ist ihr Meisterstück. Die gestalterischen Töne der Architekten Veit Aschenbrenner fallen ins leise Spectrum, dafür sind sie stimmig. Die Jury des anotHERVIEWture Award kürte Susanne Veit-Aschenbrenner zur „female architect of the year“. Ein Porträt.
Isabella Marboe
Eigentlich hatte Susanne Veit-Aschenbrenner Geigenbauerin werden wollen. „Ich fand es so faszinierend, dass aus einem Körper ein Klang entstehen kann“, sagt sie. Die gestrengen Eltern beharrten auf einem seriösen Studium. Ein Glück für die heimische Architektur, sie wäre sonst um eine sehr klare, leise Stimme ärmer. In den zurückhaltenden Arbeiten von Veit Aschenbrenner Architekten schwingt eine Ahnung der Geige immer mit. Sie entfalten ihre ganze Wirkung erst, wenn man darin verweilt und gewinnen mit der Zeit. „Wir möchten Räume zum Klingen bringen. Das ist nicht objektivierbar, aber deutlich zu spüren“, sagt sie. Lebens- und Büropartner Oliver Aschenbrenner teilt diese Auffassung. „Wir nennen das den gestimmten Raum“, erklären beide unisono.


In sakralen Räumen spielt der Klang seit jeher eine wesentliche Rolle, in mittelalterlichen Kirchen stand der Altar immer dort, wo das Wort des Priesters am besten zu verstehen war. Einen gewissen Hang zur sakralen Architektur könen Veit Aschenbrenner nicht verleugnen. In der Neuapostolischen Kirche trägt der Gesang den Gottesdienst der Gemeinde. Veit Aschbrenner planten deren neuen Sakralbau in Wien-Penzing, definitiv ihr Hauptwerk.
Räume aus Licht und Luft
Ihr Weg zur Architektur begann an der TU München, wo Friedrich Kurrent als Professor für Sakralbau wirkte. Er war ein streitbarer Charakter, aber ein großartiger Lehrer. „Sakralbau hat scheinbar keine Funktionen, es geht da nur um Raum jenseits aller Moden. Kurrent konnte enorm gut vermitteln, was Raum bewirkt.“ Er sprach von ihm als Geigerzähler der Architektur, der ausschlagen muss. Ein weiteres Kurrentsches Diktum lautete: „Erst, wenn man eine Kirche plant, weiß man, ob man ein Architekt ist.“



Die Diplomarbeit von Oliver Aschenbrenner war eine „Kathedrale unserer Zeit.“ Er stellte einen Kühlturm in Form eines hyperbolischen Paraboloids in die Wüste. Kurz davor hatte er Namibia bereist und sich in der kargen, sandigen Wüstenlandschaft „auf sich selbst zurückgeworfen“ erlebt. Es war die letzte Diplomarbeit, die Friedrich Kurrent betreute. Susanne Veit-Aschenbrenner stellte sich einer städtebaulichen Aufgabe. Sie implantierte eine Kureinrichtung in den historischen Kontext von Karlsbad. Eine Arbeit, für die sie mit dem renommierten Döllgast-Preis für das beste Diplom ausgezeichnet wurde.
Parkstadt Hietzing
Damit schließt sich ein Kreis: Veit Aschenbrenner haben den städtebaulichen Realisierungswettbewerb zur Nachnutzung der einstigen Geriatrie im Wienerwald gewonnen. Dieses 26 ha große Areal soll zur „Parkstadt“ Hietzing mit etwa 1.000 Wohnungen, Nahversorgung, Dienstleistung und ähnlicher Infrastruktur entwickelt werden. Gründerzeitliche Pavillons, die sich in fünf Zeilen an parallelen Wegen lose aneinanderreihen und die einstige Spitalskirche in ihre Mitte nehmen, prägen diese Parklandschaft. Veit-Aschenbrenner intervenieren umsichtig, verlängern die Bestandstrakte und füllen deren Reihen auf. Auch die Materialität aus Stahlbeton und Sichtziegeln korrespondiert mit dem Bestand. Dadurch bleibt viel vom spezifischen Charakter des Ortes erhalten.

Die Architekten sind sich der Gefahr der Gentrifizierung bewußt. „Uns war wichtig, dass der Grünraum öffentlich zugänglich und die historischen Pavillons zwar überformt werden, ihre Vorderansicht aber im Original erhalten bleibt“, so Veit-Aschenbrenner. Die Freiraumplanung übernahm das Büro Koselicka, mit dem sie schon oft vertrauensvoll zusammengearbeiet haben. Geht es nach den Architekten, soll der neue Stadtteil für 3.000 Menschen neben dem Wohnen auch öffentliche Infrastruktur, Büros, Nahversorger und Altenbetreuung bieten. Die Chancen auf Umsetzung stehen gut. Ein zehngruppiger Kindergarten wurde bereits realisiert.
Tanzender Lift
Nach dem Studium arbeiteten beide bei Heinz Tesar, dem Wien mit der Kirche „Christus, Hoffnung der Welt“ auf der Donauplatte einen der schönsten zeitgenössischen Sakralbauten verdankt. Die Projektleitung dafür machte Oliver Aschenbrenner, Susanne übernahm die des Essl-Museums in Klosterneuburg. Sie war es auch, die den Schritt in die Selbständigkeit wagte und das Büro gründete. „Wir arbeiteten von Anfang an in verschiedenen Maßstäben, begannen mit kleinen Projekten und machten viele Wettbewerbe“, sagt Veit Aschenbrenner. Den Großteil haben sie gewonnen, fast keiner wurde gebaut.

Eines ihrer ersten realisierten Projekte war der Einbau eines Liftes im Basiliskenhaus in der Schönlaterngasse, in dem sich noch Gewölbe aus der Romanik finden. Es ist eines der ältesten Häuser Wiens, jedes Jahrhundert setzte wieder eine Zeitschicht dazu, auf drei Seiten umkreist eine Pawlatsche den Innenhof. Schon die Architekten Luigi Blau und Margarethe Cufer waren an dieser Aufgabe gescheitert, Veit Aschenbrenner erwiesen sich auf der Suche nach einer Lösung als die hartnäckigsten. „Wir haben archäologisch nach einem Platz gesucht, an dem sich ein Lift einzirkeln ließe.“ Sie maßen das Haus sorgfältig auf und legten alle Grundrisse vom Erd- bis zum Dachgeschoss übereinander. Jedes Stockwerk eine andere Farbe, keine Wand sitzt hier genau auf der anderen, das Gebäude wirkt, als würde es schwingen. Ein Objekt, wie gemacht für die beiden. Schließlich fanden sich Freistellen, wie Bildhauer feilten Veit Aschenbrenner am Bestand, nahmen hier und dort ein Stück Mauer weg und passten millimetergenau einen schlichten Liftschacht aus Nirosta in das Gebäude ein, der nach oben hin immer breiter wird. „Man spürt das, es fühlt sich an, als würde der Lift zu tanzen beginnen.“

Ins Schwingen bringen
Dann kam die Einladung zum Wettbewerb für die Neuapostolische Kirche. Veit Aschenbrenner nahmen sich am Wochenende einen Tag Zeit, fuhren zum Bauplatz, ließen den Ort auf sich einwirken und dann fing einer von beiden zum Zeichnen an. So beginnen die Entwürfe bei ihnen immer: vor Ort und gemeinsam. „Beim Sakralraum geht es darum, dass man in Schwingung gerät“, sagt Oliver Aschenbrenner. Die Neuapostolische Kirche kennt keinen Glockenturm. Ihre Architektur musste also aus sich heraus ein ikonisches Zeichen setzen. „Man erkennt sofort, dass es ein besonders Gebäude ist.“ Es ist nicht nur ein sakraler Ort für den Gottesdienst, sondern auch ein geselliger für die Gemeinschaft. Die Architekten führten ein Split-Level ein, sodass sich deren Räume barrierefrei zum Garten öffnen und den Sakralbau in der Mitte umspülen. „Der Glaube steht im Zentrum.“
Derzeit bearbeiten Veit Aschenbrenner die Villa Magdalenenhof in Stammersdorf. Es liegt in einem riesigen, malerisch verwilderten Garten mitten im Natura 2000 geschützten Gebiet das Bisambergs. Architekt Paul Hoppe hatte das Anwesen als Witwensitz für Elise Dengler-Pschorr geplant und in romantische Ländlichkeit gehüllt. 1912 war es fertig, zwei Jahre lebte sie dort, dann brachten die Weltkriege Offiziere der k.u.k. Armee, Angehörige der Deutschen Wehrmacht und Soldaten der Sowjetarmee in die Villa der Dame. Auf sie folgte in der Nachkriegszeit die Gastronomie. Es war Ausflugsziel, Balkangrill mit Fremdenzimmern, Restaurant mit Seminarbetrieb. 1997 wurde der botanische Naturgarten Bisamberg hier angelegt, seit 2011 steht das Haus leer. Efeu, Moos, Feuchtigkeit, Schädlinge und Vandalismusakte machen ihm zu schaffen, bewohnbar ist es lang nicht mehr. Der psychosoziale Dienst der Stadt Wien beauftragte Veit Aschenbrenner nun damit, das „Magdalenenschlösschen“, wie sie es liebevoll nennen, zur psychosozialen Wohn- und Betreuungseinrichtung zu machen. Galerien mit jugendstilinspirierten Holzbrüstungen, Luster aus Hirschgeweih, Erker, Veranden, Kachelöfen und ein paradiesischer Garten. Die Pläne sprechen von Licht, Holz, Kräuterbeeten und zeigen Hägematten im hohen Gras. Es wird mit Sicherheit ein guter Ort.

„Uns überzeugte, wie souverän das Büro in unterschiedlichen Maßstäben operiert. Sie reagierten auf spezifische Aufgabenstellungen von der detaillastigen Intervention im Bestand über das autonome Einzelobjekt bis zum Städtebau sehr angemessen“, sagt Barhara Poberschnig, die beherzte Gründerin des STUDIO LOIs. Sie war Juryvorsitzende des anotHERVIEWture Award, bei dem nur Frauen einreichen dürfe. Die österreichische Bundeskammer der Ziviltechniker:innen|Arch + hatte ihn im Jahr 2022 ins Leben, um die Arbeit von Frauen sichtbar zu machen. Poberschnigg war damals die erste „female architect of the year“ ever. Susanne Veit-Aschenbrenner ist es heuer, im Jahr 2026 wird sie die Stafette weiterreichen. Bis dahin ist hoffentlich auch das Magdalenenschlösschen wieder bewohnt.