Bauen ist noch lang nicht Architektur, doch ohne Bauen keine Architektur. Was so trivial klingt, ist ein höchst komplexer Vorgang. Die Ausstellug „construir“ von Dietmar Feichtinger Architects (DFA) ist ein glühendes Bekenntnis zum Bauen, seine Komplexität und Schönheit. Derzeit in Madrid.
„construir“ steht in weißen Lettern auf einem Glas im ersten Stock des Colegio Oficial de Arquitectos de Madrid (COAM), darüber dezent: „DFA Dietmar Feichtinger Architectes.“ Die Galerie liegt an einem ruhigen Innenhof mitten im Baublock zwischen der Calle de Hortaleza, Calle de Farmacia und Calle de Hernán Cortéz. Früher war hier eine Klosterschule, die Straßenfassade blieb erhalten, die Barockkirche des Heiligen Antón von Pedro de Ribera wurde liebevoll saniert.

Dahinter rahmt ein Neubau den ruhigen, grünen Innenhof, der das stille Epizentrum dieser behutsamen Stadtintervention ist. Er beherbergt das COAM, das Institut für Architektur, das spanische Architekturmuseum, eine Bibliothek, Ausstellungsflächen und Büros, das Haus ist der Dreh- und Angelpunkt der Architekturszene von Madrid und die beste erste Anlaufstelle für Architekturinteressierte aus aller Welt. Außerdem sind in dem Block ein Restaurant, eine Musikschule und ein Schwimmbad untergebracht. Dieses pulsierende Stück Stadt ist das Resultat eines EU-weiten Wettbewerbs. Die Transformation des Gebäudes und die Art und Weise, wie es umgesetzt wurde, hat viel mit der Arbeit von Dietmar Feichtinger Architectes (DFA) zu tun. Es geht um Wettbewerbe, öffentliche Bauaufgaben, den Umgang mit städtischen Strukturen und das Schaffen von Infrastruktur. In diesem Fall kulturelle und soziale.

Dietmar Feichtinger Architects realisieren viele Infrastrukturbauten, fast alle seine Projekte resultieren aus Wettbewerben und mussten sich in einem harten Konkurrenzkampf behaupten. Wie sehr das Büro zu seinen Lösungen steht, zeigt sich auch daran, dass einige Wettbewerbsbeiträge ausgesellt sind, die nie verwirklicht wurden. Der botanische Garten in Bremen und die drei Türme für die Johannes Kepler Universität in Linz zum Beispiel.
Konstruktion und Struktur
Bauen steht in der Diskussion um die nötige Reduktion des CO2-Ausstoßes immer mehr unter Rechtfertigungsdruck. Es muss stark argumentiert werden und bedeutet mehr Verantwortung denn je. Umso wichtiger ist eine Ausstellung wie „construir.“ Sie ist ein Plädoyer für das Bauen in seiner Komplexität, Schönheit und zwingenden Logik. Ein Bauen, das Voraussetzung und Ausdruck von Architektur ist. Für das Schaffen von städtischer Infrastruktur ist es unerlässlich, dort braucht es große Spannweiten, fallen gewaltige Lasten an, finden sich die größten und meisten Baustellen. Genau dort ist Architektur besonders gefragt. Denn sie kann aus Infrastruktur besondere Orte machen.

Bauen und Konstruieren sind tief in die DNA von Dietmar Feichtinger Architectes eingeschrieben, das Büro realisiert dementsprechend auffallend viele Infrastrukturprojeke, bei denen Architektur wirklich einen Unterschied machen kann. Brücken werden sehr vielschichtig, wenn sie gut gestaltet sind. Sie können die Verbindung zwischen zwei Ufern oder Stadtteilen, das Überschreiten eines Flusses oder einer Autobahn bewußt machen, den Horizont erweitern und zu Orten des Verweilens, der Begegnung und der neuen Perspektiven werden. „Wir wollen mit unseren Projekten immer Orte schaffen, an denen sich Menschen treffen können“, so Dietmar Feichtinger.

Ein frühes Beispiel dafür ist die Verkaufs- und Finanzzentrale der VOEST Alpine in Linz. Im Jahr 2005 gewannen DFA den Wettbewerb mit einem sehr signifikanten Gebäude, das einen Bogen umschreibt, der in 18 Meter Höhe zu einem Spitz zuläuft. Fast 34 Meter kragen die beiden Stahlträger aus, allein im Spitz sind 500 Tonnen Stahl verbaut, man sieht ihr Skelett in einem der Filme. Das Wesentlichste an diesem Entwurf aber befindet sich davor unter der Erde: DFA hoben das Gelände um einen Meter auf ein neues Niveau an, wodurch nun der einstige Parkplatz unter einem begrünten Flachdach verschwinden kann. Oberlichten sorgen für Helligkeit und Blickbezüge, mit 18.000 m² ist der neue Freiraum so groß wie der Linzer Hauptplatz.
Magische Momente
„Der konstruktive Ansatz definiert unsere Arbeit, unsere Projekte sind sehr strukturorientiert“, sagt Dietmar Feichtinger. Zu einem der größten Infrastrukturprojekte des Büros zählt die Transformation des Perrache Multimodal Hub in Lyon. Der zentrale Verkehrsknotenpunkt mit Busbahnhof, Tramways und Metrolinien liegt auf der langen Halbinsel zwischen Rhóne und Saone, zehntausende steigen hier täglich um. Die große Verkehrsinfrastruktur aus Stahlbeton des Baujahres 1976 war ein Lebensprojekt ihres Architekten René Gagès, das aber nie wirklich an-, sondern als Barriere in der Stadt wahrgenommen. Dietmar Feichtinger Architectes respektierten das Gebäude und analysierten es genau. Sie entfernten ein Feld in der Mitte des überdimensionierten Vierendel-Trägers, der die Tragstruktur des zweigeschossigen Bahnhofs bildet. So entsteht in der Mitte ein großer, freier Durchgang, der die Struktur öffnet. Auf dessen Überplattung wird ein leichtes, transparentes Gebäude errichtet, das begrünte Dach soll zum Park werden, außerdem sind ein Hotel, Co-working-Spaces, Geschäfte, Restaurants geplant.


Diese Ausstellung macht nachvollziehbar, wie Projekte entstehen. Es ist eine Art Reise durch essentielle Phasen. Sie beginnt bei den Skizzen des Architekten, einige zeigen Menschen, die meisten aber Bauten, Brücken, Tragwerke. Sie nicht unbedingt schön, aber sehr aussagekräftig und oft erstaunlich präzise sind. Sie dokumentieren einen Prozess und machen eine Idee sichtbar, die sich später zu Modellen entwickelt und in Plänen manifestiert. All das ist zu sehen, in die Details kann man sich gut vertiefen. Besonders faszinierende sind die Filme von den Baustellen, deren Sequenzen man hier in Loops auf drei Screens nebeinander sieht.
„Beim Bau einer Brücke gibt es Momente, die wirklich phantastisch sind“, sagt Dietmar Feichtinger. Das Einheben einer Brücke gehört dazu. Diese euphorischen Momente sind oft „sehr, sehr rasch“ vorbei, sagt Feichtinger. Sie gehören den Arbeitern und Arbeiterinnen, Ausführenden, Ingenieurinnen, Architekten und Architkektinnen, sowie allen, die an der Baustelle beteiligt waren. Auf einigen der Projektionen kann man ihre Magie zumindest erahnen.