Gemeinschaftliche Wohnprojekte beginnen immer mit einem Traum und einer großen Idee. Hürden und Hindernisse pflastern den Weg zur Umsetzung, Gruppen schrumpfen und verändern sich. Der Glaube an das Gute, Resilienz, Empathie, Begeisterung und Krisenfestigkeit beweist jedes dieser Kollektive. Ein Besuch.
Zwei Löwenköpfe auf einem großen Metalltor bewachen den Eingang. „Achtung, frisch gestrichen“, sagt Alexander Wandruszka, ein Bewohner des Ökotopischen Zentrums. Die mächtige Linde im Hof reckt ihre Äste in den Nebel, im Sommer sitzen alle unter ihrer dichten Laubkrone im Freien. 1980 kaufte der Verein Leben und Umwelt das Areal einer ehemaligen Trikotfabrik in Maria Lanzendorf, kurz danach wurde das Tor zum ersten Mal gestrichen. 20 Erwachsene und zehn Kinder zogen ein, jeden Tag kochte jemand anderer in der einzigen vorhandenen Küche. Auf die Anfangseuphorie folgten die Mühen der Ebene. Für einige passte es nicht, der erste Einschnitt. Paare trennten sich, ein Drittel verließ die Gruppe.




Man inserierte in der Wiener Wochenzeitung Falter. Nach dem Probewohnen zogen neue Mitglieder ein, eroberten sich Arbeiter- und Herrenhaus, die riesige Fabrik mit ihren drei Stockwerken und hohen Räumen. Sie liegt an der Schwechat und war früher eine Mühle. Die Menschen formten das Areal um, nisteten sich ein, erneuerten, ließen los, zogen weiter. Ihre Spuren prägen den Ort. Jeden Monat eine Sitzung, ohne Zwang zur Teilnahme. „Die Diskussionen dauern manchmal sehr lang, aber irgendwie lösen sich die Dinge immer“, sagt Psychologin und Bewohnerin Ulrike Tiefenthaler-Gilmer.
Auch Renate Kolm lebt hier, seit 1988. Mit etwa 40 Jahren hatte sie aus heiterem Himmel einen beidseitigen Schlaganfall. „Ich merke, dass ihr seither anders seid“, sagt sie zur Gruppe. Sie wohnt im zweiten Stock. „Ich kann mich schwer ausdrücken, sobald ich rauf oder runter will, brauche ich zwei Leute und muss anrufen, ob sie Zeit haben.“ Alexander und Fritz Ruprechter, der auch hier wohnt, haben sie mit großer Rücksicht über die Treppen getragen, damit sie bei unserem Gespräch dabei sein kann.

ähnliche beiträge
Ähnliche Beiträge
Von der Liebe zur Skizze
Sammeln ist eine Kunstform, wenn man es derart hingebungsvoll und exklusiv betreibt wie René Prassé. Der unauffällige Mann mit der...
A house in Jerusalem
Sehr lapidar erzählt der israelische Regisseur Amos Gitai in seinem ersten Dokumentarfilm vom Umbau eines arabischen Hauses für seinen israelischen...
Liebesgrüße aus Reykjavik
Die deutsche Sprache war das Lebenselixier von Melitta Grünbaum. Dann kam der Nationalsozialismus über Österreich. Die jüdische Schauspielerin und Intellektuelle...