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Sein oder nicht sein

Isabella MarboevonIsabella Marboe

Der Begriff Denkmal scheint antiquiert, doch er hat es in sich. Denn Denkmalschutz kann die Existenz eines abrissgefährdeten Bauwerks retten. Das birgt Risiken.

Das Thema ist virulent, komplex und gibt was her. Allein zwischen 1951 und 2011 hat sich der Gebäudebestand in Wien mehr als verdoppelt, die Zahl sanierungsreifer, altersschwacher Häuser ist gewaltig. Wo das Kapital regiert, Immobilien solide Wertanlagen sind und die Abrissbirne überall lauert, weil mit Neubau gut Geldverdienen ist, kann ausgerechnet der Denkmalschutz zum Rettungsanker für bedrohten Bestand werden. Doch bei weitem nicht jeder Altbau ist ein Denkmal und allein die Prüfung einer Unterschutzstellung wurde schon manchem zum Verhängnis. Bauten inflationär zu Denkmälern zu erklären, um ihre Existenz zu retten, überfordert die Kapazitäten des notorisch unterdotierten Bundesdenkmalamts, bindet Ressourcen, schwächt dessen Autorität, gefährdet dessen Existenz und den Konsens über das, was unsere Baukulturgeschichte bildet.

Denkmalwürdig – ja oder nein? Am ehemaligen AUVA-Gebäude scheiden sich die Geister ©Marboe

Viele davon sind Abrisskandidaten, einige könnte eine Unterschutzstellung retten. Das verweist auf eine klaffende Lücke: es bräuchte dringend ein anderes Instrumentarium, um den mehr oder weniger willkürlichen Abriss von Bauten zu verhindern, die zwar keine Denkmäler, aber deshalb noch lang keine schlechten Bauten sind. Mehr noch: womöglich sogar schlechte Bauten sind, trotzdem aber große Mengen an CO2 in Form von grauer Energie speichern. Dieser Ansatz ist nicht mehr oder weniger als ein Aufruf zu einer neuen Baukultur – einer neuen Form des Umgangs mit Bestand. Europaweit macht sich die Bürgerinitiative „House Europe“für Erhalt, Umbau, Aufstockung, Nach- und Neunutzung stark, auch die Architektenkammer hat längst begriffen, dass die Zukunft im Bestand ist und fordert statt der Bau- eine Umbauordnung ein. Und das, obwohl der Neubau lange die Existenzgrundlage des Berufsstandes war.

Die Alte WU ©Marboe

Ebenso aber gab es immer schon Architekturschaffende, die sich in puncto Handwerk, traditionelle Baustoffe, Denkmalpflege, Bauforschung und mehr eine große Expertise angeeignet haben. Die Bau- und Immobilienwirtschaft aber brummt nur, solange viele Neubauten entstehen. Unter diesen Bedingungen kann der Denkmalschutz zum Rettungsschirm werden, läuft aber Gefahr, selbst zum Opfer dieser Tendenz werden. Denn Denkmalschutz ist auch gesetzliche Verpflichtung, ein Gradmesser unserer Baukultur und daher mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit mit Maß und Zeil anzuwenden.


Das österreichische Denkmalschutzgesetz (§ 1 DMSG) stammt aus dem Jahr 1923, ist also über hundert Jahre alt. Die junge Republik setzte damit einen Meilenstein. Seither hat nämlich das Bundesdenkmalamt den gesetzlichen Auftrag, den Erhalt unseres kulturellen Erbes im öffentlichen Interesse durchzusetzen. Es definiert ein Denkmal im Wesentlichen als ein Kulturgut von herausragender geschichtlicher, künstlerischer und sonstiger kultureller Bedeutung, dessen Erhalt im öffentlichen Interesse steht. Entscheidend ist außerdem, ob sein Verlust einen Schaden für den Kulturgutbestand Österreichs bedeutete. Das mag etwas gestelzt ausgedrückt sein, ist aber so weit so klar und nachvollziehbar. Im konkreten Entscheidungsfall aber wird es rasch sehr kompliziert, denn der Interpretationsspielraum ist ein weites Feld. Welche Kriterien sind wie zu gewichten, wer entscheidet, was unter „sonstige kulturelle“ Bedeutung fällt und ab wann diese dann für die Denkmalwürdigkeit relevant ist. Und wer beurteilt, ob sein Verlust einen Schaden am Kulturgutbestand der Republik bedeutet? Unschwer ist zu erkennen: wir bewegen uns auf schlüpfrigem Terrain.

Die Alte WU steht definitiv nicht unter Denkmalschutz. Ihre Zukunft wird gerade in einem Wettbewerb entschiede © Marboe

Gutachten dauern, die Mühlen des Gesetzes mahlen langsam und ehe das Bundesdenkmalamt eingreifen kann, ist so mancher Bestand schon verunglückt. Ursachen und Fallbeispiele gibt es viele. Exemplarisch sei der Verlust des Florabades genannt, das Josef Lackner für den rückenkranken Paul Flora entworfen hatten. Durch sieben Lichtkuppeln fielen die Sonnenstrahlen auf das Wasserbecken im bergenden, amorphen, organischen Raum. An seiner Einzigartigkeit und Qualität gab es keine Zweifel, mit seinem Verlust war nicht zu rechnen, solang es Paul Flora benutzte und besaß. Dann wechselte der Besitzer, auf einmal war Gefahr in Verzug. Noch bevor das Bad unter Denkmalschutz gestellt werden konnte, machte ein „unglücklich gefällter“ Baum, wie der damalige Besitzer zu Protokoll gab, 2018 seine Existenz zunichte.

Für das Florabad kam der Denkmalschutz zu spät ©Günther Richard Wett

Selbst die Unterschutzstellung ist noch kein Garant für ein glückliches Ende: Alte Häuser erfüllen die neuesten Bauvorschriften nicht, mitunter sind die Nutzungen, für die sie vorgesehen waren, inzwischen längst obsolet. Große Rechenzentren braucht heute niemand mehr, Technologien sind immer effizienter, Geräte kleiner geworden, ganze Berufszweige ausgestorben. Was tun mit all den alten Fabriken, Geräten, Maschinen und Produktionsstätten? Architektonische Juwelen sind auch darunter. Viel Kreativität, Dialog, Konsens, Recherche und Wissen sind nötig, um neue Funktionen dafür zu finden. Viele Eingriffe, um diese Bestände bauordnungskonform benutzbar zu halten. Allein die sogenannte technische Ertüchtigung so zu bewältigen, dass sie nicht deformierend ins Auge fällt, erfordert ein hohes Maß an einschlägiger Expertise. Man könnte diese Notwendigkeit zum gestalterischen Thema machen. Aber bitte keinesfalls beliebig! Dieses Feingefühl hat nicht jeder, man kann es nicht voraussetzen.

Gerät der Bau an den oder die falsche Architektin, wird die Diskussion erst richtig hitzig: War der Umbau dem Bestand gemäß? Wurde letzterer dadurch so sehr geschädigt, dass er des Prädikats, dem er seine Existenz verdankt, nicht mehr würdig ist? Nämlich: ein Denkmal zu sein. Nicht selten ist das Bundesdenkmalamt bei seinen Konzessionen kompromissbereiter als es der profilierten Fachwelt lieb ist. So scheiden sich bei der Frage, ob das Wien Museum von Oswald Haerdtl grundsätzlich zu Recht unter Denkmalschutz gestellt wurde, zum ersten Mal die Geister. Zum zweiten Mal scheiden sie sich beim Ablauf des Architekturwettbewerbs zu dessen Ausbau und zum dritten Mal bei der Frage, ob dessen Um- und Ausbau durch die Architekten Winkler, Certov und Ruck geglückt sei oder nicht. Die Autorin nahm erstaunt zur Kenntnis, dass einige Kollegen und Kolleginnen tatsächlich einhellig begeistert waren. Und andere nicht den Bruchteil eines guten Haares an dem Umbau lassen.

Nicht nur die Hofburg, auch die Platzgestaltung von Hans Hollein im Vordergrund steht unter Denkmalschutz © Marboe

Dass Urteile weit auseinanderklaffen, liegt bis zu einem gewissen Grad in der Natur der Sache, umso wichtiger wäre es, sich im Fall der Denkmalwürdigkeit auf möglichst klar definierte, eindeutig feststellbare Kriterien beziehen zu können. Besonders schwierig wird das speziell beim Baubestand der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Allein technologiebedingt übertrifft deren Bauvolumen das der vorangehenden Epochen bei weitem, dazu kommen die geringe zeitliche Distanz, die eine Urteilsbildung erschwert und völlig neue Materialien, zu deren Einordnung und Befundung es noch wenig Erfahrungswerte gibt.

Denkmal oder nicht? Darüber wird im Fall der AUVA gerade entschieden © Andreas Vass

Ein akuter Fall ist derzeit das ehemalige Headquarter der AUVA (Allgemeine Unfallversicheruungsanstalt) am Kreuzungspunkt Dresdner-, Jäger- und Adalbert Stifter Straße in der Brigittenau. Längst ist der futuristisch anmutende, 64 Meter hohe Bau mit den kreuzförmig angeordneten Bürotrakten und den runden Treppentürmen, zwischen die bis zu zwölf Geschosse mit einer Hängekonstruktion spektakulär und fotogen abgehängt sind, zu einem Bestandteil der Brigittenauer Skyline geworden.
Dass sie vom größten Hängetragwerk der Republik abgehängt sind, ist eine bautechnologische Leistung, die in vielen einschlägigen zeitgenössischen Zeitschriften große Beachtung fand. Kurt Koss, einer der besten Statiker dieser Zeit, hatte sie berechnet.

Die AUVA Zentrale wurde als stolzes Flaggschiff einer selbstbewussten Organisation zwischen 1972 und 1977 von Architekt Kurt Hlawenicka geplant. Sein Großbüro war bestens vernetzt und wickelte große Bauvorhaben ab. Die meisten bewältigter er in Arbeitsgemeinschaften. Er war unter anderem beim Bau von Harry Glücks ikonischem Wohnpark Alt Erlaa ebenso beteiligt wie bei der Überplattung des Franz-Josefs-Bahnhofs und dem Bau des Universitätscampus Althanstraße. Die Entstehung der AUVA-Zentrale lässt sich auch als Sittenbild einer Zeit lesen, als große Aufträge freihändig an eine Handvoll Wiener Büros vergeben wurden. Oft dienten sie auch dazu, die staatliche Industrie – in erster Linie die VOEST – mit Referenzprojekten und Aufträgen zu versorgen. Das Hängetragwerk der AUVA war das größte der Republik, Kurt Koss, einer ihrer besten Statiker, hatte es berechnet. In einschlägigen technischen Zeitschriften fand es häufig Erwähnung. Im Jahr 2021 siedelte die Belegschaft der AUVA in eine neue Zentrale in den Twin Towers um, seither steht der Koloss in der Adalbert-Stifter Straße leer. Er hat die üblichen Mängel von Bauten dieser Zeit: zu hohe Betriebskosten, Wärme-, Brand-, Schallschutz, die AUVA verweist außerdem auf instabile Statik und Unwirtschaftlichkeit. Im Jahr 2023 leitete das Bundesdenkmalamt ein Unterschutzstellungsverfahren ein. Den aktuellen Stand der Dinge hat verdienstvoller der Blog www.zwischenbrücken.at recherchiert. Und er wird mit Sicherheit dran bleiben.

Ob die AUVA denkmalschutzwürdig ist, wird gerade geprüft

Die Doppelhauptschule von Helmut Richter am Penzinger Kinkplatz steht zwar inzwischen unter Denkmalschutz, es scheint ihr allerdings nicht viel zu helfen. Aufgrund bautechnischer Mängel, Überhitzung des Turnsaals, akustischen und funktionalen Problemen wurde die Schule 2017 abgesiedelt, eine weitere Schulnutzung wird von der Stadt dezidiert ausgeschlossen, der lange Leerstand hat dem High-Tech-Bau nicht gut getan, es kam zu Vandalismus, präsumptive Sanierungskosten gingen je nach Gutachten in einen Bereich von bis zu 60 Mio. Euro. Inzwischen sind sie sicher um einiges höher. Also der Allgemeinheit nicht zumutbar, im Jahr 2024 führte die Gemeinde ein Konzeptverfahren durch, um neue, sanierungswillige Eigentürmerkonsortien mit sinnvollen Zukunfsszenarien und Nutzungen zu finden. Ein Resultat steht noch aus.

Die Doppelhauptschule am Penzinger Kinkplatz von Helmut Richter steht zwar unter Denkmalschutz, wirkt aber ziemlich ausgesetzt©Marboe


Das österreichische Denkmalschutzgesetz ist zwar schon eine alte Dame, es gibt aber auch den Rahmen, auf die sich laufend ändernden Bedürfnisse zu reagieren. Kulturgüter von geschichtlicher, künstlerischer und sonstiger kultureller Bedeutung, deren Erhalt den Kulturgutbestand der Republik bereichert, sind heute noch ebenso schutzwürdig wie damals. Wenn nicht sogar noch mehr. Genauso schwerer aber wird vor der Masse des seit 1923 Gebauten die Entscheidung, was tatsächlich denkmalwürdig ist. In Zeiten der Klimakrise, wo der ökologische Fußabdruck wesentlich und graue Energie als Speicher von CO2 – zur wertvollen Ressource geworden ist, wird auch alte Bausubstanz als solche zum schützenwerten Gut. Das aber fällt definitiv nicht in den Bereich Denkmal.

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